
„Singin’ in the Rain“ steppt glücksbringende Unterhaltung
Krise in Hollywood! Der Musical-Kultfilm von 1952 reflektiert den Umbruch der Filmwelt vom Stumm- zum Tonfilm in den 20er Jahren: Erzählt wird die Geschichte von Hollywoodstar Don Lockwood und seiner Leinwandliebe Lina Lamont, die mit ihrer alles andere als gesegneten Stimme von der angehenden Schauspielerin Kathy Selden synchronisiert wird, um ihren Filmhit zu retten. Als sich Kathy und Don schließlich verlieben, droht der Schwindel aufzufliegen. Als Hochburg der Romantik nimmt sich das Theater und Orchester Heidelberg jetzt der rührenden Liebeskomödie an und überzeugt bei der Premiere mit Charisma und Tanzspaß.
Unter Dietger Holm spielt das Philharmonische Orchester Heidelberg munter auf zu einem sympathisch-klangvollen Sound. Zwei große Filmrollen bilden den Hintergrund für die immer wieder eingespielten, selbstgedrehten Schwarz-Weiß-Filme in überdrehter Großaugen-Ästhetik, begleitet von einer Pianistin auf der Bühne. Regisseurin Andrea Schwalbach, die am Haus bereits mehrere Musiktheaterstücke inszenierte, setzt auf humorvolle Szenen und stimmige Musiknummern. Allein die Übergänge ziehen sich länger als nötig, unter anderem, weil die bei der Premierenansprache extra hervorgehobenen 220 Lichtstimmungen nicht immer auf den Punkt kommen.
Nach einem etwas müden Start bringen die ersten Musiknummern Leben auf die Bühne. Warum Andrea Danae Kingston nicht im Programmheft steht, bleibt ein Rätsel, an ihren herausragenden Choreografien liegt es wohl kaum. Denn diese kombinieren Filmzitate clever mit den Möglichkeiten eines Stadttheater-Chores und dem vielseitigen Ensemble in mitreißenden Steppnummern. So darf auch die legendäre Regentanz-Szene nicht fehlen, in der Protagonist Don Lockwood mit Leichtigkeit durch echten Regen auf der Bühne steppt.
„Alles mit Würde“ ist Lockwoods Motto. Dem folgt auch sein Darsteller Tobias Joch, der mit kraftvoller Stimme und eleganter Freigeistmanier glänzt, dafür allerdings die arrogante Starfigur etwas missen lässt. Auf der anderen Seite strotzt sein Counterpart Kathy, verkörpert von Charlotte Katzer, nur so vor Energie. Ein wenig aufgedrückt wirkt die bockige Emanzipation durch einen Hosenanzug statt der femininen Eleganz im Originalfilm. Kostümbildner Lukas Pirmin Wassmann hat ansonsten einen soliden Job gemacht, nur die Tortenüberraschung, in der Kathy und die anderen Showgirls tanzende Kuchenstücke mit Sahne-Kirsch-Hüten darstellen, wirkt eher albern als aufreizend.
Die Chemie des Paares braucht einen gewissen Anlauf und blüht erst im Tanz zum Song „You Were Meant For Me“ so richtig auf, entwickelt sich dann aber schön bis hin zum Happy End. Niklas Schurz als Cosmo ist definitiv der „geborene Nebendarsteller“, als der sich seine Figur bezeichnet (nicht umsonst heißt es im Englischen „‚supporting‘ act“) – er übernimmt die Rolle des heimlichen Stars. So trägt er u.a. die als Slapstick-Comedy-Show interpretierte Revuenummer „Make ’em laugh“ mit sicherer Stimme und ausdrucksstarkem Spiel. Ähnlich grandios sind Johanna Spantzels Spiel- und Stimmverstellungskünste als eingebildete Filmdiva Lina Lamont, die mit ihrer unausgebildeten Stimme an den Rand der Branche gedrängt wird. Doch sie bleibt taff und beantwortet die Frage „What’s wrong with me?“ abschließend mit einem stolzen „Nothing!“.
Ein ikonisches Musical mit einer süßen Geschichte und tollen Steppnummern ergeben einen vielleicht etwas braven, aber doch sehr unterhaltsamen Abend in Heidelberg, der am Premierentag umjubelt gefeiert wird. Im laufenden Spielbetrieb lassen sich kleine Holperer dann auch endgültig ausmerzen, sodass über fehlende Anschlüsse und Spannungsbögen mit viel Freude, Lachen und Bewunderung für die Steppkunst und Spielfreude des engagierten Ensembles gerne hinweggesehen werden kann.
Musikalische Leitung: Dietger Holm • Choreografie: Andrea Danae Kingston • Bühne: Anne Neuser • Kostüme: Lukas Pirmin Wassmann • Video: Christian Weißenberger • Licht: Ralf Kabrhel • Sounddesign: Luisa Lange und Lorenzo Westermann • Choreinstudierung: Virginie Déjos • Mit: Tobias Joch (Don Lockwood), Charlotte Katzer (Kathy Selden), Niklas Schurz (Cosmo Brown), Johanna Spantzel (Lina Lamont), Dietmar Nieder (Produzent/R.F. Simpson/Sprechlehrer), Johan Vandamme (Roscoe Dexter) u.a. • Opernchor des Theaters und Orchesters Heidelberg • Philharmonisches Orchester Heidelberg
Aufmacherfoto: Susanne Reichardt