
„Elisabeth“ in gänzlich neuem Licht
Vor gut 25 Jahren feierte das Musical „Elisabeth“ von Sylvester Levay und Michael Kunze seine niederländische Erstaufführung im Circustheater in Scheveningen. Während die Presse gespalten reagierte, avancierte die Inszenierung rasch zum Publikumserfolg. Pia Douwes brillierte in der Titelrolle, flankiert von einem düster-mystischen Stanley Burleson als Tod. Das opulente Bühnenbild und die prunkvollen Kostüme versetzten das Publikum zurück in die imperiale Welt der Habsburger.
In der aktuellen Inszenierung von Frank van Laecke hingegen verzichtet man bewusst auf kaiserlichen Glanz und Kitsch. Der belgische Regisseur kehrt zur ursprünglichen Wiener Ästhetik von 1992 zurück: kühl, reduziert, konzentriert – jedoch in einer überraschend modernen Interpretation.
Van Laeckes Konzept basiert auf der historischen Tatsache, dass Kaiserin Elisabeth Fotografien mied und Gemälde bevorzugte, die nachträglich nach ihren Wünschen angepasst werden konnten. So wird die Bühne zu einem düsteren, großen Künstleratelier, in dem Maler – als die Paparazzi des 19. Jahrhunderts – die ungewollte Kaiserin porträtieren, während Lucheni ihre Geschichte erzählt. Diese kreative Rahmung schafft unerwartet berührende Momente, die „Elisabeth“ in gänzlich neuem Licht erscheinen lassen. Auch die überarbeitete und modernisierte Übersetzung von Seth Gaaikema trägt wesentlich hierzu bei.
Besetzungstechnisch setzt die Produktion Maßstäbe. Wie bereits 2023 in Schönbrunn teilen sich zwei Darstellerinnen die Hauptrolle. Danique Dusée gibt als junge Elisabeth ein fulminantes Musicaldebüt, mit beeindruckender Bühnenpräsenz und stimmlicher Brillanz. Ihre Interpretation von „Ich gehör nur mir“ ist schlicht umwerfend. Ab der Finalszene des ersten Aktes übernimmt Pia Douwes – und das sonst zurückhaltende niederländische Publikum gerät in Ekstase: Szenenapplaus und Jubelrufe, wie man sie sonst nur aus London, New York oder dem deutschsprachigen Raum kennt. Nach mehr als 1.000 Vorstellungen in neun Produktionen gelingt es ihr, neue Nuancen zu offenbaren: fragiler, gefühlvoller, ohne darauf zu verzichten, in den richtigen Momenten stimmstark loszulegen.
Milan van Waardenburg verleiht dem Tod eine charismatische und überraschend maskuline Note. Optisch an den amerikanischen Sänger Adam Lambert erinnernd, oszilliert seine Darstellung zwischen androgynen Momenten und verführerischer Männlichkeit. Subtil streut er verlockende Angebote – Zigaretten, Kokain, Heroin –, bis Elisabeth schließlich nachgibt und in seinen Bann gerät. Stimmlich ist er schlicht überwältigend, was für ein Ausnahmetalent! Publikumsliebling William Spaaij überzeugt als zynischer Lucheni, dessen Gesangspart dezent nach unten transponiert wurde.
Auch die Nebenrollen sind exzellent besetzt: Guido Gottenbos (Franz Joseph) füllt seine Rolle mit würdevoller Präsenz, während Ann Van den Broeck (Sophie), Ronald Jorritsma (Rudolf), Saskia Schäfer (Ludovica), Sjoerd Oomen (Max) und Liss Walravens (Frau Wolff) glänzen. Isaura Kuyt und Mees de Heus seien stellvertretend für das hochmotivierte und professionelle 15-köpfige Ensemble genannt. Die 14 grandiosen Orchestermusiker unter Marco Braam bringen Levays Musik in all ihrer Intensität zum Strahlen.
Visuell beeindruckt das Bühnenbild von Carla Janssen Höfelt, ergänzt durch Arno Bremers’ stilvolle Kostüme, das stimmungsvolle Lichtdesign von Marc Heinz und den makellosen Sound von Jeroen Ten Brinke.
Den Produzenten Albert Verlinde, Huub van den Heuvel und Jaco Kaasschieter ist es in Kooperation mit den Vereinigten Bühnen Wien gelungen, eine moderne, zeitgemäße und dennoch tief in der Geschichte verwurzelte Neuinterpretation von „Elisabeth“ zu erschaffen. Die Premiere im DeLaMar Theater endet mit minutenlangen Standing Ovations – ein Ereignis, das sich kein „Elisabeth“-Fan entgehen lassen sollte.
Musikalische Leitung: Marco Braam • Choreografie und Musical Staging: Roy Jonathans und Daan Wijnands • Bühne: Carla Janssen Höfelt • Kostüme: Arno Bremers • Licht: Marc Heinz • Sounddesign: Jeroen ten Brinke • Video: Arjen Klerkx • Mit: Pia Douwes (Elisabeth), Danique Dusée (Junge Elisabeth), Milan van Waardenburg (Der Tod), William Spaaij (Luigi Lucheni), Guido Gottenbos (Kaiser Franz Joseph), Ann Van den Broeck (Erzherzogin Sophie), Ronald Jorritsma (Erzherzog Rudolf), Saskia Schafer (Herzogin Ludovika), Sjoerd Oomen (Herzog Max in Bayern), Liss Walravens (Frau Wolff), Isaura Kuyt (Esterhazy), Melinda de Vries (Rudolf Junior) u.a.
Aufmacherfoto: Annemieke van der Togt/togtstrip fotografie