Theater Baden Baden ONCE UPON A MATTRESSE Gruppenbild2 Foto Jochen Klenk | MUSICAL TODAY

Once Upon a Mattress

Fröhlicher Eskapismus

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Theater Baden-Baden
von
Mary Rodgers (Musik)
Jay Thompson, Marshall Barer und Dean Fuller (Buch)
Marshall Barer (Gesangstexte)
Regie
Christopher Tölle
Uraufführung
1959

„Once Upon a Mattress“ zeigt die wahre Geschichte der Prinzessin auf der Erbse

Was für ein Klamauk! Diese ironische Adaption des Märchens von der „Prinzessin auf der Erbse“ brachte bereits im Jahr 1959 das, was Ritter- oder Mittelalter-Musicals wie „Spamalot“ und „Something Rotten!“ später origineller und bissiger unternahmen: Sie zeigt den humorträchtigen Zusammenprall von höfischer Etikette mit flapsig-frechen Brechungen aus unserer Gegenwart. Bei allem Witz, den Regisseur Christopher Tölle und seine formidabel aufgelegte Truppe dem Märchen im Baden-Badener Theater angedeihen lassen: Das ständige Chargieren und Übertreiben gerät selbst für den Verehrer höherer Albernheit mitunter zur Überdosis.

In den deutschsprachigen Theatern kommt das knallige Märchen nur höchst selten auf die Bühne (bisher, genauer gesagt, nur in Hildesheim, Wien und zweimal von Musicalstudenten in München). In den USA dagegen erfreut sich die freche Prinzessin an Schulen und in Community-Theatern bleibender Beliebtheit, das Stück wurde mehrfach verfilmt und kehrt immer wieder in Revivals an den Broadway und Off-Broadway zurück. Die flotte, jazzige Broadway-Partitur stammt von Mary Rodgers, der Tochter des großen Richard Rodgers; sie klingt nett und unterhaltsam, ist aber sicher kein herausragendes Werk. Die sehr lustige deutsche Übersetzung von Sonya Martin und Frank Buecheler trägt auf jeden Fall zur Freude am Stück bei.

In Baden-Baden fährt Ausstatterin Heike Seidler alles auf, was der Fundus an Strumpfhosen, Wamsen und Reifröcken hergibt. Gespielt wird, Drehbühne und Versenkungen inklusive, auf den Zinnen einer Burg vor einem romantischen Landschaftsprospekt. Die Handlung ist erstaunlich gut auf sämtliche Rollen verteilt, in einem so kleinen Ensemble bekommen alle ihre Auftritte, gerne auch mal cross-gegendert wie bei einer graziösen, aber bärtigen Bewerberin um die offene Stelle als Prinzessin. Oder in der Hauptrolle von Königin Migräne, wo Michael Laricchia die besorgte Mutter, die ihren verhätschelten Sohn nicht hergeben will, keineswegs als Dragqueen spielt, sondern eher als eine Cruella De Vil mit der vollendeten Contenance von Queen Elizabeth. Kein Wunder, dass der König seit Jahren verstummt ist, seine ausgeklügelte Zeichensprache wird leider ständig falsch verstanden – Holger Stolz erfreut wie all seine Kollegen mit einer schwungvollen Körperkomik bis zum Slapstick.

Als Prinz Arglos agiert Robert Herrmanns unter seiner Mireille-Mathieu-Frisur mit der liebenswerten Unschuld eines kleinen Mädchens, seine Liebe zur robusten Prinzessin Winnifred aus den fernen Sümpfen erwacht spontan und sehr süß. Constanze Weinig spielt sie mit patenter Natürlichkeit und einem Hauch Trampeltier, ganz herrlich singt sie ihre Auftrittsnummer „Ich war immer schon scheu“, mit einer trompetenartigen Betonung des letzten Wortes. Unglaublich blond und tapfer ist Lion-Russell Baumann als Ritter Sir Harry, den eine weitere starke Frau, Julia Steingaß als dezent genervte Hofdame Lady Lerche, immer wieder einnordet. Der esoterisch um die Königin herumfließende Magier trägt Birkenstocks, der Hofbarde entwickelt einen Hang zur Verzweiflung und der sarkastische Hofnarr wirft gerne mal Kulturpolitisches wie den Satz „Wer Kunst will, geht ins Festspielhaus!“ dazwischen.

Die Inszenierung kichert mit viel Situationskomik vor sich hin, so stürzt immer mal wieder jemand in den Burggraben oder die Prüfung der neuesten Braut ist als Quizshow inszeniert. Regisseur Tölle schickt sein überaus bewegliches Schauspiel-Ensemble in Broadway-en-miniature-Tanznummern wie die „Spanish Panic“, mit der die „Schlamm-Schlampe“ müde getanzt werden soll (klappt nicht). Tölles locker-leichtes Musical Staging nimmt nicht nur die Musik, sondern auch den Humor der Texte auf. Hans-Georg Wilhelm leitet die neunköpfige, schmissige Band bis zum fröhlichen Finale, bei dem Winnifred sich beim Erbsen-Test auf 20 Matratzen natürlich als echte Prinzessin erweist. 


Musikalische Leitung: Hans-Georg Wilhelm • Regie und Choreografie: Christopher Tölle • Ausstattung: Heike Seidler • Mit: Constanze Weinig (Prinzessin Winnifred), Michael Laricchia (Königin Migräne), Robert Herrmanns (Prinz Arglos), Lady Lerche (Julia Steingaß), Lion-Russell Baumann (Sir Harry, eine Wache), Phillip Henry Brehl (Der Narr/Prinzessin Nr. 12/Eine Wache), Oliver Jacobs (Der Barde/Lady Mabelle), Carl Herten (Der Magier/Eine Lady/Eine Wache), Holger Stolz (König Sextimus), Tanja Schön (Lady Klamotte)

Aufmacherfoto: Jochen Klenk

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