
Webbers „Phantom of the Opera“ hochkarätig besetzt und opulent ausgestattet
Andrew Lloyd Webbers Meisterwerk „The Phantom of the Opera“ kehrt zum 30-jährigen Jubiläum des Musical Theaters Basel in einer überarbeiteten Inszenierung in die Schweiz zurück. Die große Tournee-Produktion präsentiert sich mit einer beeindruckenden Besetzung von über 100 Mitwirkenden. Das Musical Theater Basel ist neben dem Theater 11 in Zürich einer von nur zwei Schweizer Spielorten, die technisch für solch große Produktionen ausgelegt sind.
Unter der musikalischen Leitung von Ben Mark Turner pulsiert und strahlt Lloyd Webbers Partitur wie eh und je. Die bekannten Melodien bekommen live eine Wucht, die immer wieder Gänsehaut verursacht. Die subtilen Dissonanzen und dramatischen Harmonien spiegeln die innere Zerrissenheit des Phantoms und bringen die komplexen Emotionen der Figuren brillant zum Ausdruck.
Das Ensemble dieser Tour ist hochkarätig. Viele der Darstellenden bringen Erfahrung aus der Londoner Originalproduktion mit, was der Aufführung im englischsprachigen Original zusätzliche Qualität verleiht. Sopranistin Georgia Wilkinson als Christine gelingt es am besten, unfassbare Stimmakrobatik und Ausdruckskraft zu einem Gesamtkunstwerk zu verbinden. Sie meistert die Entwicklung ihrer Figur von der unsicheren Sängerin zur selbstbewussten Frau mit beeindruckender Authentizität und großer Ausstrahlung. Als Phantom liefert Nadim Naaman ebenfalls eine herausragende gesangliche Leistung, zusätzlich hebt er sich mit einer sehr besonderen Stimmfarbe ab. Sein Phantom ist ein entstelltes Genie, das zwischen genialem Komponisten und düsterem Antihelden schwankt. Teils gelingt ihm dieser Spagat, an anderen Stellen hätte die Figur mehr Tiefe vertragen. Dougie Carter bildet als Raoul einen überzeugenden Gegenpart zum Phantom, auch er ist stimmlich ein Hochgenuss. Lara Martins als Primadonna Carlotta Giudicelli bietet gesangliche Highlights und viel südländisches Temperament, passend zur Rolle.
Stephen Barlows Regiearbeit besticht durch fließende Übergänge und eine dynamische Erzählweise. Die opulenten Bühnenbilder und Spezialeffekte von Andrew Riley entführen das Publikum in die Pariser Oper der 1930er Jahre. Ein gewaltiger Kronleuchter thront majestätisch über den Köpfen des Publikums und scheint nur darauf zu warten, seine große Rolle in der dramatischen Geschichte zu spielen. Zu beiden Seiten der Bühne glänzen die prachtvollen Logen und dahinter der prunkvolle Szenenvorhang, hinter dem jeweils die Umbauten vonstattengehen, während die Geschichte vor dem Vorhang weiterläuft.
Das Zentrum der Inszenierung bildet eine Drehbühne mit riesigem Aufbau. Dieser zeigt auf der einen Seite die Treppe in die Katakomben der Oper, auf der anderen die Dachkuppel oder – je nach Szene – das unterirdische Versteck des Phantoms mit einer großen Orgel. Andrew Riley und Lars Carlsson haben prächtige Kostüme sowie raffinierte Perücken und Masken entworfen, die die Atmosphäre der Epoche authentisch wiedergeben. Besonders auserlesen sieht zu Beginn des zweiten Akts die „Masquerade“ aus. Ewan Jones’ Choreografien fügen sich nahtlos ein und beschränken sich weitgehend auf die Ballettstücke, die meist begleitend zur Handlung eingesetzt werden. Howard Hudsons Lichtdesign unterstützt subtil die emotionalen Nuancen der Geschichte und spielt eine tragende Rolle in den dramatischen Momenten.
Trotz aller Pracht bleibt ein Hauch von Distanz zwischen Bühne und Publikum. Die Inszenierung ist wie ein wertvolles Gemälde in einem Museum: beeindruckend und schön, aber irgendwie unnahbar. Sie bleibt der Operntradition treu, während andere Musicals darauf abzielen, den Graben zwischen Bühne und Zuschauerraum zunehmend zu überbrücken und das Publikum näher an die Handlung zu bringen. Und so ist der Schlussapplaus – trotz Standing Ovations – zwar respektvoll, aber doch leicht zurückhaltend. Die gesanglichen Leistungen waren überragend, trotzdem wollte der Funke nicht ganz überspringen.
Musikalische Leitung: Ben Mark Turner • Choreografie: Ewan Jones • Ausstattung: Andrew Riley • Licht: Howard Hudson • Sounddesign: Adam Fisher • Mit: Nadim Naaman (The Phantom), Georgia Wilkinson (Christine Daaé), Dougie Carter (Raoul), Lara Martins (Carlotta Giudicelli), Nicholas Garrett (Monsieur Richard Firmin), Arvid Larsen (Monsieur Gilles André), Valerie Cutko (Madame Giry), Matthew McDonald (Ubaldo Piangi), Anna Mullan (Meg Giry) u.a. • The Ballet Chorus of the Opera Populaire
Aufmacherfoto: Giulia Marangoni