Deutschsprachige Erstaufführung von „Blind Date“ in Berlin
Irgendwie klappt es nicht mit einer festen Beziehung. Ein Dauerproblem, an dem viele heutzutage arg knapsen, auch Meli und Jan, zwei Mitdreissiger. Da wird fleissig gepostet und getwittert, Instagram und Facebook bemüht, Portale aktiviert, äußere Makel retouchiert. Und dann folgt postwendend die bittere Wahrheit: das digital vermittelte Ego erweist sich bei der ersten Analogbegegnung mehr oder weniger als Fake, weil hinter glatt geputzten Fassaden schnell Risse und Kanten klaffen. Am Ende bleibt Enttäuschung, das erträumte Glück zerplatzt wie ein Ballon. Trotzdem probieren es die beiden nochmals, jetzt mit einem Blind Date.
Aus dieser Allerweltsgeschichte mit Zartbitter-Geschmack entwickelte Autor und Songtexter Allard Blom gemeinsam mit dem einschlägig versierten Komponisten Sam Verhoeven das Musical „Blind Date“, vor zwei Jahren in Amsterdam uraufgeführt und mit mehreren niederländischen Theaterpreisen prämiert, unter anderem für das beste neue Stück. In der Tat funktioniert der Plot, die Dialoge versprühen Esprit, die Musik kommt locker flockig daher und die ganze Handlung läuft quasi in Echtzeit ab: zwei Stunden vom Aperitif bis zum Espresso, vom ersten Treffen bis zum zaghaften Versprechen für ein Wiedersehen als Finale.
Für das Gelingen braucht es kaum ein Bühnenbild, für opulente Ausstattung wäre die Grüne Bühne Berlin als Ort der deutschsprachigen Erstaufführung auch gänzlich ungeeignet. Es genügen ein Tisch, zwei Stühle, überdimensionierte Spielkarten, ein bißchen plüschiges Tinnef im leuchtenden Rot. Gastgeberin Rosi arrangiert den Abend mit Unterstützung von KI, legt Jan und Meli gar an die Kette, als sie vorzeitig aus dem Setting aussteigen wollen. Der Algorithmus diagnostierte immerhin hundertprozentige Übereinstimmung bei den beiden Singles, die zwar zuächst in die Fallgrube des eitel inszenierten Scheins tapsen, dann jedoch den Schalter auf Folge-Dates umhebeln. Das liegt vor allem an Jan, der auf Meli beim Begrüßungsblick ohne erotischen Kick ziemlich langweilig wirkt, bis er schließlich seine lavaglühende Musical-Leidenschaft offenbart und sich hoch professionell durch kurz zitierte Evergreens steppt.
Das Stück macht Spaß, wirkt originell und weitgehend authentisch, die deutsche Fassung von Kai Hüsgen flutscht passgenau, greift den geschmeidigen Konversationston auf. Die Songs grundieren das Dinner zwischen emotionalen Hochs und Tiefs auf den Spuren von Stephen Sondheim. Bijan Azadian schwenkt als musikalischer Leiter die Combo entsprechend auf den gewünschten Pfad ein und Regisseur Holger Hauer arrangiert aus der Vorlage ein süffisantes Kammerspiel mit reichlich Aktualität, viel Humor sowie einigem Hintersinn.
Lara-Antonia Heine ist die dralle Rosi, unerschrocken hartnäckiger Host des ersehnten Liebesmahls. Oliver-Patrizia Kunze gibt sich herrlich naiv, lacht zum Weglaufen schrill, gerät bei der Vokal „Sex“ in Schnappatmung und greift prompt zur Flöte, um den inneren Seelenfrieden herzustellen. Dennis Weissert mutiert vom verbalen Kotzbrocken zum sanftpfötigen Womanizer und markiert mit seinem Stepp-Intermezzo den Glanzpunkt der insgesamt fröhlich frischen Aufführung. Die jüngst äußerst geschmackvoll renovierte Grüne Bühne in Berlin erweist sich dabei als ideale Location für ein kleines, feines Musical wie „Blind Date“. Das bestens gelaunte Premierenpublikum votiert einstimmig mit erhobenem Daumen.
Deutsche Übersetzung: Kai Hüsgen • Musikalische Leitung: Bijan Azadian • Choreografie: Holger Hauer, Dennis Weissert, Holger Hauer, Olivia-Patrizia Kunze • Ausstattung: Lara-Antonia Heine, Holger Hauer • Mit: Olivia-Patrizia Kunze (Meli), Lara-Antonia Heine (Rosi), Dennis Weissert (Jan)
Aufmacherfoto: Studio Monbijou