+++ +++ OUT NOW +++ +++ OUT NOW +++ +++ OUT NOW +++ +++ OUT NOW +++ +++
7456 1782 kob swto jan windszus 11132024 verbessert nr scaled e1732036762416 | MUSICAL TODAY

Sweeney Todd

Psychogramm eines Mörders

qi addons for elementor placeholder | MUSICAL TODAY
oRT
Komische Oper Berlin
von
Stephen Sondheim (Musik und Gesangstexte)
Hugh Wheeler (Buch)
Regie
Barrie Kosky
Uraufführung
1979

Seelenschau auf „Sweeney Todd“

Top oder Flop: Letztlich bleibt jede Uraufführung ein Roulette-Spiel mit unklarem Ausgang. „Sweeney Todd“ von Stephen Sondheim (Musik und Gesangstexte) und Buch-Autor Hugh Wheeler ist dafür ein interessantes Beispiel. Die New Yorker Premiere bescherte dem Kreativteam immerhin einen mittelprächtigen Erfolg. Viele Jahre dümpelte das Stück auf deutschen Bühnen dann aber in einer Repertoire-Nische zwischen Oper und Musical mit raren Aufführungszahlen. Erst jüngst startet die blutgetränkte Mär vom Barbier aus der Londoner Fleet Street hierzulande durch und entwickelt sich momentan fast zum Quotenhit. In relativ kurzer Zeit platziert die Komische Oper Berlin das Stück nun erneut auf den Spielplan, dieses Mal in der Regie von Ex-Intendant Barrie Kosky, der entgegen sonstiger Praxis sämtliche Show-Effekte einspart und sich deutlich mehr auf Thriller und ausgefeiltes Psychogramm konzentriert.

Die Neuproduktion dürfte ein Kassenschlager werden. Das liegt schon an der Cast. Dagmar Manzel als berserkernde, geschäftssüchtige, einsame, vom Bankrott bedrohte Mrs. Lovett erweist sich als Traumbesetzung. Sie dreht die Leichen durch den Fleischwolf und zaubert aus den Zutaten köstliche Pasteten, die prompt reißenden Absatz finden. Ein erfolgreicher Business-Plan, aus Not und skrupelloser Raffinesse geboren. Die Kunden fordern ständig Nachschub. Für den sorgt Barbier Sweeney mit geschliffenem Messer, kriminellem Instinkt und brachialen Rachegefühlen. Ein pathologischer, albtraumhafter Cocktail, der jeden Psychiater in Wallung bringen würde. Christopher Purves gibt der Hauptfigur ein klares Profil aus Bindungsunfähigkeit, Obsession und Ohnmacht vor den eigenen Gefühlen. Hier sind zwei ausgemachte Soziopathen am Werk, die trotzdem etwas Liebenswürdiges haben.

Barrie Kosky konzentriert sich auf die Seelen der Protagonisten, schaut mit Argusaugen nach innen und drängt die gesellschaftskritischen Aspekte an den Rand. Das Äußere gerät zur Fassade: Ein paar Kulissen genügen, um heruntergekommene Metropolen-Düsternis zu assoziieren, mittendrin Mrs. Lovetts Pasteten-Shop, darüber der Friseursalon von Sweeney Todd. Die Ausstattung von Katrin Lea Tag zeigt den Wandel der Figuren an. Ist zu Beginn alles schmuddelig, leistet sich vor allem Nellie Lovett mit wachsendem Wohlstand schickere Outfits. Die prägnanten Charakterstudien überzeugen, auch bei Hubert Zapiór (Anthony Hope), Alma Sadé (Johanna), Tom Schimon (Tobias), Jens Larsen (Richter Turpin), James Kryshak (Bamford) und dem barock-exaltierten Pirelli von Ivan Turšić.

Gespielt und gesungen wird die englischsprachige Originalfassung. Das funktioniert. Sondheims höchst komplexe, mit zahlreichen Motiven angereicherte und beinahe durchgängige Partitur zieht Dirigent James Gaffigan mit dem Orchester der Komischen Oper stringent in Richtung Oper, dabei bleibt er stets sehr transparent und nimmt das Ensemble subtil mit. Der Chor wirkt analog zum griechischen Theater als kommentierende Masse. Das fügt sich in dieser geschlossenen, auf jeden überflüssigen Effekt verzichtenden Inszenierung aufs Feinste. Da stolpern zwar schwarzer Humor und der Spaß etwas aus der Balance, aber immer blitzt Ironie auf. Dafür sorgt besonders Dagmar Manzel in unvergleichlicher Weise. Das Publikum reagiert zustimmend und herzlich. Von der Komischen Oper zieht die Produktion weiter nach Helsinki und Strasbourg.


Musikalische Leitung: James Gaffigan • Ausstattung: Katrin Lea Tag • Licht: Olaf Freese • Chor: David Cavelius • Mit: Christopher Purves (Sweeney Todd), Dagmar Manzel (Mrs. Lovett), Hubert Zapiór (Anthony Hope), Alma Sadé (Johanna Barker), Tom Schimon (Tobias Ragg), Jens Larsen (Richter Turpin), James Kryshak (Beadle Bamford), Sigalit Feig (Bettlerin), Ivan Turšić (Adolfo Pirelli) • Chorsolisten und Orchester der Komischen Oper Berlin

Aufmacherfoto: Jan Windszus Photography

Spielorte

Archiv

Newsletter
Newsletter

Immer auf dem Laufenden bleiben!