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Britney Sofia Iordanskaya 2 Foto Joerg Landsberg | MUSICAL TODAY

Britney’s Fears. The Making of: A Princess

Agitprop-Theater für Frauen

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Theater Bremen
von
Anne Sophie Domenz und dem Blaumeier-Atelier (Buch)
Regie
Anne Sophie Domenz
Uraufführung
2025

„Britney’s Fears“ kämpft für einen emanzipatorischen Liederabend

Vielleicht hätte diesen Text eine Frau schreiben sollen. Eine Frau, die wie Anne Sophie Domenz davon überzeugt ist, dass das weibliche Geschlecht in der Popmusik bis heute unter „Frauenfeindlichkeit und patriarchalen Abhängigkeitsstrukturen im Show Business und durch Paparazzi“ zu leiden hat. Und deshalb nun im Theater Bremen, vielmehr: vor dessen neoklassizistischen Portal auf dem Goetheplatz zu einem emanzipatorischen Pop-Liederabend einlädt, um die Unterdrückungsgeschichte einer herausragenden Frau vor einem Schein-Gericht zu verhandeln.

„Britneys Fears. The Making of: A Princess“ hat die Regisseurin und Ausstatterin diesen Kampf des vermeintlich schwachen Geschlechts gegen die dominanten Männer und Väter mehrdeutig übertitelt, in dessen Zentrum die (Leidens-)Geschichte der Britney Spears (Shirin Eissa) steht, die vor Gericht in einem Plädoyer ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben einfordert. Daneben taucht auch Taylor Swift (Sofia Iordanskaya) auf, um zu erzählen, wie starke Frauen sich in der Musik ihre Rechte erkämpft haben. Madonna (Stephanie Schadeweg) – darunter macht es Domenz nicht – appelliert an ihre Geschlechtsgenossinnen, stolz auf sich selbst zu sein, und erinnert an ihren Karrierekampf gegen Sexismus, Missbrauch und Frauenfeindlichkeit. Feministische Kampftruppen unter sich – aber das sollte ein Mann natürlich besser nicht sagen …

Beschränken wir uns also auf die künstlerische Seite dieses anderthalbstündigen Open-Air-Abends im kühlen norddeutschen Frühling. Eindrucksvolle Theaterarchitektur-Kulisse, vom Balkon führt eine Treppe herab zum Goetheplatz, die Straßengeräusche im Hintergrund ignorieren die 200 Besucher irgendwann ebenso wie die unbeteiligten Fußgänger, die über den Platz marschieren. Erinnert irgendwie an einen großen Kindergeburtstag, zumal es reichlich zu sehen und bestaunen gibt von kullernden bunten Bällen und knallig-wilden Kostümen über eine düstere Kutsche bis hin zu Glitzermonstern und einem Flugzeug von „Poison Paradise Airlines“: Wieso, weshalb, warum erschließt sich nicht immer wirklich – aber hey, alle haben Spaß! Und da im Premierenpublikum offenbar viele Bekannte, Verwandte oder Kolleginnen sitzen, kommt es auch dort trotz der Kälte immer mal wieder zu kleinen Begeisterungswellen. Alles KlassenkämpferInnen – selbstredend wird hier fleißig gegendert – im Geiste Domenz’?

Spätestens mit den Auftritten der ebenfalls eingebundenen Künstler des Bremer Blaumeier-Ateliers – in dem Kunstprojekt arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung oder psychischer Erkrankung zusammen – beschleicht einen dann doch ein seltsames Gefühl: Inklusion in der Kunst ist ein wunderbarer Weg der Teilhabe und wichtig für die eigene kulturelle Identität – doch wird dieser hier nicht für eine eigene feministische Agenda missbraucht? Die Freude und Begeisterung des Blaumeier-Ensembles beim Schlussapplaus lässt solche Gedanken in den Hintergrund treten … Und doch bleibt das Bild eines alles andere als in sich stimmigen Dramaturgie-Konzeptes, das sich an den Spears-Songs entlang – im zweiten Teil des Abends live angestimmt von der Blaumeier Band „Fransen“ – durch die Dämmerung hangelt. Da helfen auch die stimmungsvollen Soli der Jazzgitarristin Lea Baciulis nicht, zumal diese den Genderk(r)ampf nur kurzzeitig unterbrechen: „Wir Frauen wurden so lange unterdrückt, dass wir glauben, was das Patriarchat sagt …“ Agitprop-Theater war gestern. Im 21. Jahrhundert sollten auch emanzipatorische Liederabende ein Mehr an Witz und Subtilität zu bieten haben.


Musikalische Leitung: Walter Pohl, Lea Baciulis und Maartje Teussink • Regie und Ausstattung: Anne Sophie Domenz • Choreografie: Hale Bo Enzo Richter • Licht: Daniel Thaden • Mit: Shirin Eissa (Britney Spears), Sofia Iordanskaya (Taylor Swift), Stephanie Schadeweg (Madonna), Lea Baciulis, Lucas Bartz, Dorothe Burhop, Aladdin Detlefsen, Maximilian Kurth, Viktoria Tesar • Blaumeier Band „Fransen“

Aufmacherfoto: Jörg Landsberg

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