„Divine Rhapsody“ bietet Pracht, Parodie und viel Musik
Die Uraufführung „Divine Rhapsody“ ist weitaus mehr als ein festlicher Evergreen-Parcours mit opulenten Kostümen, mehr als eine Kette unvergesslicher Highlights aus Oper, Operette und Musical mit Kurzweil- und Sophistication-Garantie. Nach einer Idee von Generalintendant Johannes Weigand hat Spielleiterin Jana Eimer das Ohrwurm-Defilee sinnfällig, anrührend und klug zu einer Handlung verdichtet.
„Divine Rhapsody“ zeigt Lehr- und Wanderjahre, Aufstieg und Fall einer Primadonna in hochdramatischer wie hochkarätiger Persönlichkeitsspaltung: Die beglückend natürlich wirkende Laetitia Hippe gibt den Künstlerinnen-Backfisch Sylvia Arnaud beim entbehrungsreichen Sprung vom Kit-Kat-Club in den siebten Karriere-Himmel. Iordanka Derilova steckt klar und deutlich das Primadonnen-Revier im schier endlosen Zenit ab. Schauspielerin Christel Ortmann zelebriert einen leisen Abschied von der Jugend, der Weltspitze und den Illusionen. Verifiziert wird das alles mit Original-Zitaten von Ikonen wie Maria Callas, Rita Hayworth und Céline Dion. Auf dem Trapez zwischen Erfolg und Einsamkeit gerät fast jede Musiknummer zu einem Tanz auf dem Vulkan. Musical-Prachtbursche Timothy Roller schlüpft in die Partie des dämonischen und merkantilen Verführers, Einpeitschers, Imagestrategen.
Im Anhaltischen Theater prallen Gemeinplätze und elitärer Einzelfall aufeinander, manchmal garniert mit Parodie. „Alles andere wäre Sch…-Stadttheater“ raunzt der Regisseur die sympathische Anfängerin Sylvia Arnaud an, die es soeben aus dem Nachtclub auf die Bretter, die die Welt bedeuten, schafft. Sylvia wird zum Star der Pariser Oper und dann der ganzen Welt. Der Zenit ihrer Karriere ist eine Carmen, welche dann wirklich so aussieht wie eine Karikatur von „Sch…-Stadttheater“: sich neckisch spreizende Zigarettenarbeiterinnen, eine sogar beim Balzen gelangweilte Wachmannschaft und eine (zu) rassige „Kaufhaus-Zigeunerin“ von vormodernem Schlag mit rosa Kleid, roten Haaren, Rose zwischen den Zähnen, heißen Blicken und brennenden Küssen.
Die Anhaltische Philharmonie sitzt auf der Hinterbühne. So rücken die Dialogszenen auf die Vorbühne und recht nahe ans Publikum. Allerdings doch nicht so nah, als dass man mit den Diven in desillusionierende Berührungsnähe kommen könnte. Das fast ausverkaufte 1.000-Plätze-Haus jubelt und bläht sich zum Applausorkan.
Für den wegen der karrieristischen Überspannung verlorenen und von Costa Latsos betörend gesungenen Tenor-Liebhaber Giovanni gibt es Puccini und Donizetti. Der Diven-Weg führt von Catalanis berühmter Arie aus „La Wally“ über Nummern aus „Cabaret“, der „Csárdásfürstin“, „Carmen“ zu „Barcelona“ und „Time to Say Goodbye“.
Christopher Melchings Kostüme erfüllen alle Erwartungen bis hin zum Parodistischen, Glamourösen und zur Puszta-Folklore. Nancy Ungurean zaubert eine atmosphärische Szenerie. Als Logendiener übernimmt Philipp Feige eine prägnante Nebenrolle, er gibt den Dienstbeflissenen und intensiven Zuhörer.
In Jana Eimers mit fein ausbalancierter Spielfreude auf die Bühne gebrachtem Konzept ist Iordanka Derilova gleichermaßen glühend singendes Ideal, hochkarätiges Vorbild, Studienobjekt, Könnerin und physisches Manifest. Die von Sofia über Prag bis München und überall in Mitteldeutschland umtriebige Bulgarin genießt es sicht- und hörbar, von ambitionierten Inszenierungen auf Klischee umzuschalten, sich mit großen und weichen Tönen in die Wohlklang-Ekstasen von Freddie Mercury und Montserrat Caballé, Andrea Bocelli und Sarah Brightman zu werfen. Nie wird die Diven-Studie so traurig, dass die Freude an der Musik darunter leidet.
Das verhindert am Pult auch der versierte Wolfgang Kluge mit dem richtigen Swing. Das von Jason Sabrou und Emmanuelle Grizot choreografierte Ballett und der von Sebastian Kennerknecht einstudierte Opernchor vergrößern die Bombenstimmung.
Musikalische Leitung: Wolfgang Kluge • Choreografie: Jason Sabrou und Emmanuelle Grizot • Bühne: Nancy Ungurean • Kostüme: Christopher Melching • Chor: Sebastian Kennerknecht • Mit: Iordanka Derilova, Philipp Feige, Laetitia Hippe, Costa Latsos, Thorsten Büttner, Christel Ortmann, Timothy Roller • Opernchor und Ballett des Anhaltischen Theaters • Anhaltische Philharmonie Dessau
Aufmacherfoto: Claudia Heysel