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Cabaret

Wenn man das Übermorgen mithört …

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Staatsoperette Dresden
von
Joe Masteroff (Buch)
John Kander (Musik)
Fred Ebb (Gesangstexte)
Regie
Matthias Reichwald
UraufführunG
1966

„Cabaret“ als Mahnung für die Gegenwart

Wenn ein Musical in diese Zeit passt, dann „Cabaret“. Was John Kander (Musik) und Fred Ebb (Gesangstexte) da 1966 am Broadway herausgebracht haben und was auch durch die kongeniale Verfilmung mit Liza Minnelli zum Welterfolg wurde, ist als Show so hit-treffsicher wie eh und je. Und von beklemmend wachsender Aktualität. Allein der eine hier hinzugefügte Satz „Wir holen uns unser Land zurück“ passt verdächtig gut. Genauso wie die verfremdeten Zitate der Donald-Trump-Basecap und der Elon-Musk-Geste mit dem rechten Arm, die der Nazi im Stück hier nach seiner Machtergreifung im Kit Kat Klub imitiert.

„Cabaret“ ist erzählte Geschichte als Mahnung für die Gegenwart. Wenn in Matthias Reichwalds Inszenierung bei dem so irritierend wirkungssicher ins Stück integrierten Lied „Der morgige Tag ist mein“ im Zuschauerraum einige Choristen aufstehen, dann ist der kurze Moment, bis man das Geplante daran mitbekommt, in Dresden eine Schrecksekunde mit quasi blauem Restrisiko. Wenn das musikalische Ausklingen der schlichten und sich einprägenden Melodie in die missbrauchte „Les Préludes“-Fanfare für die Sondermeldungen der Nazis übergeht, dann wird das Übermorgen als Konsequenz gleich mitliefert. Das ist klug und wirkungsvoll gemacht. Ebenso, wenn bei einem ersten Anspielen des Verführungs-Mitsingers auf der Bühne wie bei Charlie Chaplins „Großem Diktator“ mit der Weltkugel gespielt wird. Oder wenn Fräulein Schneider in ihrer Verzweiflung das Verlobungsgeschenk von Herrn Schultz, die Kristallschale, zerbricht. Auch, wenn der Conférencier (Marcus Günzel) im zweiten Teil die (Toleranz-)Nummer mit dem Affen („If You Could See Her“) auf eine Artistin bezieht, die sich im Hintergrund akrobatisch in der Höhe zu einer Swastika-Figur verrenkt, stockt einem der Atem. Jetzt sind fast alle gleichgeschaltet – nicht nur der blonde Max und das bezopfte Mädel. Mit langen, blonden Perücken und silbernen Einheitskostümen (Nini von Selzam). Das ist der Look der neuen Zeit. Wer da nicht reinpasst, fliegt. Oder flieht.

Bis zur Pause aber ist die Bühne von Karoly Risz vor allem der Raum für eine Nummernrevue im Gewand einer Melange aus „Dogville“-Minimalismus und Backstage-Anmutung. Das unter Peter Christian Feigel mit Schmiss fabelhaft aufspielende Orchester ist auf der Hinterbühne platziert. Davor steht eine glühbirnengespickte Wand, in der das Dreieck fehlt, das davor auf der Drehbühne als Spielfläche rotiert.

Hier werden die Kit-Kat-Klub-Nummern und die beiden Liebesgeschichten zwischen dem amerikanischen (Möchtegern-)Schriftsteller Clifford Bradshaw (mit jungenhaftem Charme: Adrian Djokić) und Sängersternchen Sally Bowles (energiegeladen, mit soul-dunkler Stimme: Aswintha Vermeulen) sowie die zwischen Fräulein Schneider (Silke Richter) und ihrem jüdischen Obsthändler-Verehrer Herr Schultz (Bryan Rothfuss) Richtung Publikum serviert. Gero Wendorff ist der als Verführer noch höfliche, als Führer dann rabiate Ernst Ludwig, der aus dem Kit Kat Club die „gesäuberte“, propaganda-taugliche Show formt, deren Akteure auch noch vielsagend aus dem Untergrund auf die Bühne marschieren, wo sich dann auch Sally einreiht. Wenn der Anfang der Inszenierung etwas unverbindlich harmlos daherkommt, wird das mit dem ersten Finale rückwirkend als Vorbereitung einer Fallhöhe erkennbar, die dann im zweiten Teil die beklemmende Wirkung entfaltet, die einer „Cabaret“-Inszenierung heute zuwächst. Dafür braucht man tatsächlich keine Nazi-Uniformen.


Musikalische Leitung: Peter Christian Feigel • Choreografie: Volker Michl • Bühne: Karoly Risz • Kostüme: Nini von Selzam • Licht: Bertram Kunz • Sounddesign: Martin Wingerath • Chorleitung: Thomas Runge • Mit: Marcus Günzel (Conférencier), Aswintha Vermeulen (Sally Bowles), Adrian Djokić (Clifford Bradshaw), Gero Wendorff (Ernst Ludwig), Silke Richter (Fräulein Schneider), Bryan Rothfuss (Herr Schultz), Kaya Loewe (Fräulein Kost), Nina Kemptner (Lulu), Jeannette Oswald (Telefon-Girl), Eliton Da Silva de Barros (Bobby), Vladislav Vlasov (Max) • Ballett, Chor und Orchester der Staatsoperette

Aufmacherfoto: Lutz Michen

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