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Evita

Politik als große Show

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Staatsoperette Dresden
von
Andrew Lloyd Webber (Musik)
Tim Rice (Liedtexte)
Regie
Simon Eichenberger
UraufführunG
1978

„Evita“ – Licht und Schattenseiten einer Polit-Ikone

Ob „Evita“ politisches Theater oder einfach eine tolle Show über eine besondere Frau ist, bleibt Interpretationssache. Bei einem Blick auf die USA, wo eine gute Show auch außerhalb des Wahlkampfes wichtiger ist als Inhalte und Ziele, kann man meinen, das Stück sei hochaktuell. Die Staatsoperette Dresden nimmt sich des Lloyd-Webber-Klassikers inzwischen zum dritten Mal an. Die Inszenierung von 1987 war die DDR-Erstaufführung und ist bis heute hierzulande legendär. 2014, noch im alten Haus in Leuben, war sie letztmalig zu sehen.

Nun ist eine neue Version in der Inszenierung und Choreografie von Simon Eichenberger, im Bühnenbild von Charles Quiggin und mit Kostümen von Aleš Valášek zu erleben. Das Inszenierungsteam setzt auf opulente Bilder und nutzt die fantastischen technischen Möglichkeiten des modernen Theaterbaus aus, um große Show und ihre Schattenseiten, wortwörtlich die Rückansicht der Geschichte, deutlich zu zeigen.

Andrew Lloyd Webber und Autor Tim Rice lassen die Story der Polit-Diva von Che (übersetzt „Bursche“) erzählen und kommentieren. Er wird auch in dieser Inszenierung in Kampfanzug, mit wirrem Haar und Militärbarett deutlich als Che Guevara gekennzeichnet. Diese Figur, halb Mitspieler, halb außenstehender Beobachter, relativiert die Attitüde der zur Heiligen stilisierten Frau aus dem Volke, die es bis zur argentinischen Präsidentengattin schaffte. Trotz oder gerade wegen ihres frühen Todes wurde sie, wie Che, zu einer Ikone. Auch er war Jahre später mit seinem militanten Versuch, die Verhältnisse zu ändern, in Bolivien gescheitert und ist bis heute für viele ein Idol.

Wenn die Regie eine mögliche Beziehung der beiden, die sich im realen Leben nie begegnet sind, andeutet, entsteht eine kurzzeitige Utopie. Dies und der stumme Tanz der Hauptdarstellerin mit ihrem kindlichen Ich nach dem Applaus über die quasi unbeleuchtete Bühne sind die wenigen Momente, in denen die Inszenierung über das Stück hinausgeht. In der Realität hatte sich Eva Duarte mit dem machtbewussten Juan Perón zusammengetan. Gemeinsam lebten sie eine aus Demagogie, großer Show, kleinen sozialen Gesten und brutalem Durchsetzungsvermögen gestützte Herrschaft. Diese Schattenseiten zeigt die Inszenierung deutlicher als Lloyd Webber, allerdings ist das ergreifende Schicksal der Evita insgesamt stärker.

Mit Peter Christian Feigel hat, wie schon bei der letzten Inszenierung, der Musicalspezialist der Staatsoperette die musikalische Leitung. Er lässt nicht nur die bekannten Melodien und mitreißenden Rhythmen klingen. Sehr treffend wirken auch die schroffen, kontrastreich und spannungsvoll komponierten Momente der Musik.

Die Dresdner Evita ist Sybille Lambrich. Mit großem Temperament und beeindruckender Kondition verbindet sie Gesang und Tanz. Leider ist sie im ersten Teil der Premiere so unter Druck, dass sie in der Höhe forcieren muss und sehr angestrengt klingt. Glücklicherweise verliert sich das im Zug der Aufführung. Als entkräftete Frau, die nicht bereit ist, aufzugeben, gelingen ihr zwingend-bewegende Momente.

Markus Günzel, 2014 noch als Che zu erleben, gibt mit schöner, klangvoller Stimme den Präsidentengatten. Sein Perón hat Ehrgeiz und Härte, mit Evita die Macht zu erobern. Anders als sein historisches Vorbild aber kümmert er sich auch liebevoll um seine Frau, wenn sie Schwäche zeigt. Gero Wendorff beweist als Che wieder seine vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten, entfaltet Charme und Zynismus, ist revolutionär zupackend, steht nach zahlreichen Attacken der Militärs und Geheimpolizisten immer wieder auf und verbündet sich mit dem Publikum. Das bejubelt begeistert die Inszenierung und feiert Stück und Interpreten enthusiastisch.


Musikalische Leitung: Peter Christian Feigel • Regie und Choreografie: Simon Eichenberger • Bühne: Charles Quiggin • Kostüme: Aleš Valášek • Licht: Michael Grundner und Simon Eichenberger • Sounddesign: Martin Wingerath • Chorleitung: Thomas Runge • Mit: Sybille Lambrich (Eva (Evita) Perón), Marcus Günzel (Juan Perón), Gero Wendorff (Che), Václav Vallon (Agustín Magaldi/Ansager), Charlotte Watzlawik (Peróns Geliebte) u.a. • Ballett, Chor, Kinderchor und Orchester der Staatsoperette Dresden

Aufmacherfoto: Lutz Michen

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