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FTK 0256 SoloSunny | MUSICAL TODAY

Solo Sunny

Solo für die Erinnerung

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oRT
Landestheater Eisenach
von
Wolfgang Kohlhaase (Buch)
Günther Fischer u.a (Musik)
Regie
Lydia Bunk / Klaus Kusenberg
Uraufführung
2024

Der DEFA-Kultfilm „Solo Sunny“ kommt auf die Bühne

Ist das schon ein Musical, was da in Eisenach unter dem Titel „Solo Sunny“ über die Bühne des Landestheaters geht? Oder nicht doch eher ein Schauspiel mit Musik? Oder irgendetwas auf dem Weg von dem einen zum anderen Genre? Die Musik jedenfalls spielt die erste Geige. Soll heißen: Die vierköpfige Liveband unter Leitung von Gitarrist Benjamin Trostdorf gibt im Hintergrund der Bühne den Ton an, wenn die Protagonisten singen und die u.a. von Günther Fischer zielsicher gesetzten Noten auf den Pulten liegen.

„Solo Sunny“ ist nicht die große Revuetreppen-, Lovestory- oder Chorus-Line-Show zu irgendeiner Vorlage. Es ist eine kleine Show für ein streckenweise melancholisches Erinnern. Zuerst an den gleichnamigen Film, mit dem Wolfgang Kohlhaase und Konrad Wolf vor 45 Jahren dem Erbe der DEFA ein Schmuckstück hinzugefügt haben, für das sich auch im Nachhinein niemand genieren muss. Der Abend ist aber zugleich eine Show fürs Erinnern an das Jahrzehnt der DDR-Geschichte, von dem damals niemand wirklich wusste, dass es ihr letztes sein würde. Und für ein Publikum, das sich in jenes aufkeimende Endzeitgefühl zurückversetzen kann, das mehr diffuse Ahnung als realistische Spekulation war.

Das Porträt dieser Frau traf damals einen Nerv. Sie hatte eine Portion des weiblichen Selbstbewusstseins, mit dem sich der Staat gerne schmückte – will heißen sie machte, was sie eigentlich wollte, auch wenn sie damit beruflich und privat scheiterte. Damit traf der Film ein rumorendes Unterbewusstsein in der Gesellschaft. Ihrem Traum zu folgen, war zumindest ein Befreiungsversuch im Rahmen der eigenen Biografie – was den Wechsel von Liebhabern ebenso einschloss wie den von Arbeitsstelle oder Beruf.

Hanna Jürgens spielt in Eisenach diese Tingeltangel-Sängerin Sunny, die eigentlich Ingrid Sommer heißt und Näherin ist. Auch wenn Luca Estelle Horvath als Duo-Partnerin Monika dem Filmvorbild im Habitus vielleicht näherkommen würde, imponieren beide mit Sängerinnen-Selbstbewusstsein und Präsenz. Klaus Kusenberg sprang zehn Tage vor der Premiere als Regisseur für Schauspieldirektorin Lydia Bunk ein, von der sich das Theater kurzfristig getrennt hat; ihm gelingt es zusammen mit Ausstatter Norbert Bellen, einen Hauch von Leichtigkeit ins Spiel zu bringen, dem das Ensemble gerne folgt.

Durchs Programm, dem Sunny schließlich den Rücken kehrt, führt Conférencier Benno Bohne mit seinen abgestandenen Witzchen, über die er selbst am lautesten lacht. Christoph Rabeneck gelingt es in dieser Rolle, beherzt auf dem Hochseil der Albernheit zu balancieren, aber als Darsteller der Peinlichkeiten nicht abzustürzen. Das gelingt eigentlich allen, auch wenn sie augenzwinkernd immer mal wieder direkt auf die cineastischen Rollenvorbilder wie Alexander Lang oder Klaus Brasch anspielen oder die Sunny-Darstellerin auch mal darauf, dass sie als West- eine Ostfrau spielt. Die hält sich ihren Dauerverehrer Hubert vom Leib (wunderbar hartnäckig in seinem aussichtslosen Werben: Tony Marossek) und greift sich dafür beherzt den Gitarre spielenden Diplomphilosophen Ralph (Noah Alexander Wolf), der sie dann freilich betrügt. Lisa Störr ist einmal ihre flippige Nachfolgerin, als Sunny aus der Show fliegt, und dann genauso überzeugend die Psychiaterin, die Sunnys Selbstmordversuch aufarbeiten will. Nele Swanton als Vermieterin Frau Pfeiffer beeindruckt mit ihrer Direktheit genauso wie Sebastian Songin als prolliger Norbert und Polizist.

Das Team findet seinen spielerischen Sound zwischen dem angedeuteten Zeitgeist-Interieur auf der Spielfläche mit einem ebenso lupenreinen Wandbildmotiv von ehedem. Der Hit des Films „Blue – the dawn is growing blue …“ klingt immer mal an. Andere eingebaute Titel wie Frank Schöbels „Da war Gold in deinen Augen“ oder der Karussell-Hit „Als ich fortging …“ entfalten beim Publikum ihre Erinnerungswirkung voll und ganz. Der Karat-Hit „Über sieben Brücken musst du gehen“ ist dann so etwas wie ein gemeinsamer Erinnerungsnenner, der dank Peter Maffays Nachnutzung sogar eine Brücke in die Gegenwart parat hat.


Musikalische Leitung: Benjamin Trostdorf • Ausstattung: Norbert Bellen • Mit: Hanna Jürgens (Ingrid Sommer, „Sunny“), Christoph Rabeneck (Benno Bohne), Tony Marossek (Hubert u.a.), Lisa Störr (Lou u.a.), Luca Estelle Horvath (Monika Menz u.a.), Nele Swanton (Frau Pfeiffer), Noah Alexander Wolf (Ralph u.a.), Sebastian Songin (Norbert u.a.)

Aufmacherfoto: Tobias Kromke

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