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Ein Hauch von Venus hp 0066 | MUSICAL TODAY

Ein Hauch von Venus

Wenn Götter Herzen brechen

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Schleswig-Holsteinisches Landestheater
von
Kurt Weill (Musik)
S. J. Perelman und Ogden Nash (Buch)
Ogden Nash (Liedtexte)
Regie
Hendrik Müller
Uraufführung
1943

Kurt Weills Großstadtmärchen „Ein Hauch von Venus“

Es ist ein alter Mythos, der in Flensburg neues Leben erhält – und zwar buchstäblich: Venus steigt vom Sockel und flugs gerät die Liebe aus dem Takt. Was 1943 am Broadway mit 567 Vorstellungen als Kassenschlager endete, wird nun am Landestheater Schleswig-Holstein in einer Inszenierung von Hendrik Müller mit entwaffnender Klarheit und Charme auf die Bühne gebracht – eine seltene Gelegenheit, den „amerikanischen“ Weill auch hierzulande zu erleben.

Denn es lastet ein gewichtiger Schatten auf dieser Venus: Theodor W. Adorno persönlich schüttelte einst das Haupt über den in die Emigration getriebenen Komponisten, der sich seiner Ansicht nach zu sehr dem kommerziellen Broadway-Geschmack unterworfen habe. Doch was der Frankfurter Philosoph als Verrat am Ernsthaften geißelte, entpuppt sich bei genauerem Hinhören als luzides Spiel mit Formen und Erwartungen. Und genau dieses Spiel vermag Müller in seiner Flensburger Inszenierung feinsinnig herauszuarbeiten: ohne Aktualisierungs-Gestus, ohne Regie-Eitelkeit – aber mit Liebe zur Vorlage.

Die Handlung bleibt dabei herrlich verquer: Der brave Barbier Rodney Hatch (mit reichlich Spielfreude: Christian Alexander Müller) will eigentlich nur heiraten, steckt einer Statue seinen Verlobungsring an den Finger – und entfesselt damit eine Götterkomödie der Gefühle. Venus (mit leuchtender Präsenz: Kara Kemeny) erwacht zum Leben, bringt Rodneys Herz und die Stadt in Aufruhr und kehrt am Ende – mythologisch erschöpft, aber dramatisch wirkungsvoll – zurück auf ihren Sockel. Dazwischen: ein Reigen aus Verwechslungen, moralischem Aufruhr und liebestollen Gesängen.

Dass dieses mit antiker Chuzpe garnierte Großstadtmärchen nie ins Banale kippt, liegt auch am federnden Zugriff von Dirigent Sergi Roca Bru, der Weills Partitur mit geschmeidigem Jazz-Atem versieht. Das Schleswig-Holsteinische Sinfonieorchester swingt dabei mit der Souveränität eines Broadway-Klangkörpers durch die Jahrzehnte – und das Bühnenbild von Rifail Ajdarpasic tut sein Übriges, um aus Flensburg ein artifizielles Manhattan zu machen. Die klassisch-eleganten Kostüme von Ariane Isabell Unfried verbinden Skulpturen-Zitat mit Großstadt-Charme, während Andrea Danae Kingstons pointierte Choreografien die Grenze zwischen Mensch und Monument tänzerisch verwischen.

Stimmlich wie darstellerisch glänzt das Ensemble bis in die Nebenrollen. Vera Semieniuk als gewitzte Molly Grant stiehlt mit Timing und Stimme fast jede Szene, während Kai-Moritz von Blanckenburg als Kunstmäzen Savory das intellektuelle Gegengewicht zur lebenshungrigen Venus markiert. Und auch der Opernchor wie die Ballettkompanie bringen mit Verve ihre Klang- und Körperkraft ein. Man hört und sieht: Hier widmet man sich den Details, kostet das komödiantische Material vollends aus. Eine Wohltat und auch ein Beweis dafür, dass Kurt Weills amerikanisches Exil endlich auch in deutschen Spielplänen ankommen darf. Fürs Erste bleibt: Flensburg hat eine Statue zum Tanzen gebracht. Und wer weiß – vielleicht steht sie bald andernorts wieder auf.


Musikalische Leitung: Sergi Roca Bru • Choreografie: Andrea Danae Kingston • Bühne: Rifail Ajdarpasic • Kostüme: Ariane Isabell Unfried • Licht: Constantin Hein • Sounddesign: Jörg Karkossa • Choreinstudierung: Avishay Shalom • Mit: Kara Kemeny (Venus), Christian Alexander Müller (Rodney Hatch), Kai-Moritz von Blanckenburg (Whitelaw Savory), Vera Semieniuk (Molly Grant), Ruth Müller (Mrs Florabelle Kramer/Zuvetli/Dr. Rook), Anna Avdalyan (Gloria Kramer), Dritan Angoni (Taxi Black), Mikołaj Bońkowski (Stanley/Polizeileutnant).• Opernchor und Ballettcompagnie des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters • Schleswig-Holsteinisches Sinfonieorchester

Aufmacherfoto: Henrik Matzen

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