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Sophie1 Foto JonasMelcher | MUSICAL TODAY

Die Weiße Rose

Stell Dir vor, die ganze Welt, sie träumt vom Frieden

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Festspielhaus Neuschwanstein (Füssen)
von
Vera Bolten (Buch und Liedtexte)
Alex Melcher (Musik, Liedtexte und Arrangements)
Regie
Vera Bolten
Uraufführung
2025

„Die Weiße Rose“ setzt Musical-Maßstäbe

Die „Weiße Rose“ als Musical? Kann das gut gehen? Wenn man es macht wie Alex Melcher und Vera Bolten, dann unbedingt. Sechs Jahre haben die beiden an dem Stoff gearbeitet, das Ergebnis ist eine beeindruckende Symbiose aus Originaltexten, historischer Aufarbeitung und „heutiger“ Musik, die dem Geschehen einen schonungslos aktuellen Spiegel vorhält. Musiktheater vom Allerfeinsten ist das, was Bolten, die neben dem Buch auch für die Regie verantwortlich zeichnet, auf die minimalistisch-schwarze, fast leere Füssener Riesenbühne stellt. Dass man trotzdem zu keiner Zeit den Eindruck hat, dass sie zu groß ist, zeugt auch von der Qualität der Darstellerinnen und Darsteller: Präsenz statt Opulenz.

Erzählt wird die Geschichte der Mitglieder der „Weißen Rose“ ab 1934, ihre Wandlung von glühenden Hitler-Anhängern zu mutigen Widerständlern, deren Freiheitsdrang und Gerechtigkeitssinn selbst unter Lebensgefahr nicht zu unterdrücken ist. Dabei gelingt dieser Musicalfassung eine emotionale Nähe zu den Protagonisten, die selbst der gleichnamige Erfolgs-Kinofilm von 1982 nicht herstellen konnte. Melchers Musik ordnet sich dem Stoff auf gewisse Weise zwar unter, treibt die Handlung aber gleichzeitig voran und schafft eine subtile, eigene Erzähl- und Emotionsebene. Bach-Klänge mischen sich ganz selbstverständlich mit Rocksongs, Walzersequenzen mit Musicalballaden. Eine Musik, die erfreulicherweise nicht vom Band kommt, sondern von einer siebenköpfigen Liveband – mal mehr, mal weniger sichtbar auf der Bühne platziert. Sie bedient eine zeitlose Klangsprache: passend zur zeitlos-aktuellen Geschichte über Menschen, die mit Mut, Verantwortung und Leidenschaft für ihre Werte einstehen.

Dass man in dieser Produktion sprichwörtlich „alle sinnlichen Register zieht“, demonstriert auch das Bühnenbild, das eigentlich keines ist, sondern visualisierte Illustrationen (Jens Hahn) von Zeichnungen Sophie Scholls, die eine weitere Facette ihrer Persönlichkeit zeigen. Unbedingt erwähnenswert sind auch die bezaubernden Musik-gewordenen „Briefwechsel“ zwischen Sophie und ihrem Freund Fritz Hartnagel, die Bolten und Melcher immer wieder klug in die Handlung einstreuen.

Aber was ist bei dieser Produktion eigentlich nicht großartig? Auch Boltens Personenregie, die in weiten Teilen eine Gruppenchoreografie ist, zahlt auf die eine, große Idee ein: Hier wie damals ist die Gruppe der „Star“. Ein Motor, den die Darsteller ganz offensichtlich zum eigenen Antrieb verinnerlicht haben. Eine gewisse „Ehrfurcht“ vor ihren Rollenfiguren ist spürbar und selbst beim Schlussapplaus wird auf „einzelne Vorhänge“ verzichtet. Wenn man in dieser Runde exzellenter junger Musicaldarstellerinnen und -darsteller überhaupt von herausragender Leistung sprechen möchte, wären das Friederike Zeidler als Sophie, Adam Demetz als Alexander Schmorell und Jonathan Guth, der mit 22 Jahren lediglich ein Jahr älter ist als seine Rollenfigur Hans Scholl bei dessen Hinrichtung. Aber hier ziehen wirklich alle an einem Strang und auch Maximilian Aschenbrenner als Christoph Probst, Julius Störmer als Willi Graf, Martin Planz als Robert Scholl und Kurt Huber, Juliette Lapouthe als Inge Scholl, Oliver Natterer als Fritz Hartnagel und Tamara Köhn als Traute Lafrenz können restlos überzeugen.

Anfang Juli ist das Stück am Deutschen Theater München zu sehen, danach bis Ende Juli wieder im Festspielhaus Neuschwanstein. Wer es irgendwie schafft, sollte sich diesen Abend nicht entgehen lassen. Für alle anderen wünscht man sich zumindest einen Live-Mitschnitt. Dem Traum vom Frieden eine Stimme geben: aktueller denn je!


Musical Supervision: Marc Tritschler • Musikalische Leitung: Johannes Still • Choreografie: Bart De Clercq • Illustrationen: Jens Hahn • Sounddesign: Sven Raff • Mit: Friederike Zeidler (Sophie Scholl), Jonathan Guth (Hans Scholl), Adam Demetz (Alexander Schmorell u.a.), Maximilian Aschenbrenner (Christoph Probst u.a.), Julius Störmer (Willi Graf u.a.), Martin Planz (Robert Scholl/Kurt Huber), Juliette Lapouthe (Inge Scholl u.a.), Oliver Natterer (Fritz Hartnagel u.a.), Tamara Köhn (Traute Lafrenz u.a.), Daniel Berger (Gestapo-Beamter/Gauleiter Giesler/Roland Freisler u.a.), Claudia Hauf (Magdalena Scholl u.a.) • Band: Johannes Still (Piano/Keys), Ariane Volm (Violine), Astrid Nägele (Cello), Andreas Kurth (Drums), Oliver Poschmann (Bass), Johannes Weik (Gitarre 1), Patrick Sühl (Gitarre 2)

Aufmacherfoto: Jonas Melcher

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