„Bonifatius“ als
spektakuläres Open-Air am Originalschauplatz
Germanien im 8. Jahrhundert: Mit der Gründung des Klosters Fulda setzt Bonifatius ein Zeichen. Noch heute liegt er dort begraben, mit seinem Tod beginnt die im Stück von Mönch Willibald (Alexander von Hugo) wunderbar transparent gemachte Legendenbildung. Mit „Bonifatius – Das Musical“ begann zum 1250. Todestag des Heiligen im Jahr 2004 die Erfolgsgeschichte von „spotlight musicals“. Allen voran damals wie heute: Dennis Martin (Text und Komposition) und Peter Scholz (zusätzliche Musik und Texte). Schon vor 20 Jahren war der Anspruch, durch professionelle Musikproduktion und eine Spitzen-Cast zu überzeugen; mit Haltung und künstlerischem Anspruch wurde und wird groß gedacht. Faszinierend, die schon damals erkennbare Handschrift zu entdecken, die sich dann in „Der Medicus“ und „Die Päpstin“ wiederfindet. An „spotlight“-Stücken wird immer gearbeitet und so wirkten auf dem Weg Miterfinder Zeno Diegelmann, Thomas van de Scheck und Christoph Jilo mit.
2010 folgte die Wiederaufnahme im Stadtschloss und 2019 die Uraufführung der Open-Air-Fassung von Stefan Huber. Frank Hollmanns Musikarrangement für die von Inga Hilsberg dirigierten Kölner Symphoniker bringt Wucht und Vielfalt, im Sounddesign von Tom Strebel bestens textverständlich. Unterstützt wird das Orchester durch 100 Sängerinnen und Sängern (Chorleitung: Marcel Jahn).
Herausgehoben werden muss das Videodesign von Oscar-Gewinner Sven Sauer und das Motion Design von Alexander Mink. Michael Schüler übernimmt für die Wiederaufnahme nach fünfjähriger Pause die zwischen großen Gesten und intimen Momenten aufgebaute Regie des verstorbenen Stefan Huber und setzt eigene Akzente. In Kombination mit dem intensiven Licht von Pia Virolainen ergeben sich rasche Szenenwechsel. Tische werden zum Papstthron, Kreuz oder Taufbecken auf der runden, schrägen Spielfläche gestellt. Die immer stilsichere Choreografie von Danny Costello nutzt die Spielfläche mit Auftrittsmöglichkeiten über rundlaufende Stufen.
Die Ausstattung von Okarina Peter und Timo Dentler bietet eine gelungene Mischung aus Alltagskleidung und historischen Anleihen, die symbolisch übertragen werden. So trägt der skrupellose Bischof Gewilip zwar ein Gewand im Schnitt klassischer geistlicher Roben, doch der rote Stoff ist glitzernd paillettenbesetzt. Frank Josef Winkels interpretiert ihn kraftvoll, wenig diabolisch, vielmehr längst von allen guten Geistern verlassen. Das Gefolge des Franken Karl Martell trägt hingegen an Ritter erinnernde metallisch glänzende Stoffe. Und Bonifatius ein Gewand, das mit dem „Ragyndrudis-Codex“ bedruckt ist, der Handschrift christlicher Texte, die Bonifatius bei sich trug und der in Fulda erhalten ist.
Radbod ist eine stimmliche und schauspielerische Glanzrolle für Andreas Lichtenberger – überzeugend, wenn am Ende der schmale Grat zwischen Freund und Feind dargestellt wird. Die beiden humoristischen Begleiter Karlmann und Pippin werden von Simon Staiger und Tom Schimon passend interpretiert. Lullus, Abt von Hersfeld und Bonifatius-Nachfolger in Mainz, gibt die Legendenbildung in Auftrag. Max Gertsch spielt mit Lust an Überzeichnung auch Karl Martell, den Papst und den schwäbelnden Gesandten.
Seit der Uraufführung war Reinhard Brussmann „der“ Bonifatius und drückte durch kraftvolle Präsenz und Stimme seinen Stempel auf. In der Ursprungsfassung wurde die Bonifatius-Statue lebendig – das wirkte bei Brussmann glaubwürdig. In diesem Jahr verleiht Thomas Borchert dem Titelhelden seine glasklare Stimme und ruhiges Charisma. Anders. Menschlich. Bescheiden. Berührend, etwa im Zusammenspiel mit seinem andersgläubigen Freund Luidger (wunderbar: Karsten Kenzel). Glänzen kann Borchert in den kraftvollen Balladen. An seiner Seite ist Sturmius, den Friedrich Rau grandios liebenswert und zweifelnd mit seiner bis zum letzten der 6.000 Plätze anrührenden Stimme verkörpert. In den weiblichen Hauptrollen stehen die Publikumslieblinge Sabrina Weckerlin als Alrun und Anke Fiedler als Lioba auf der Bühne. Eine überzeugend-authentische Musicalproduktion, die Maßstäbe setzt.
Zusätzliche Musik und Texte: Peter Scholz und Thomas van de Scheck • Bearbeitung und zusätzliche Texte: Christoph Jilo • Musikarrangement: Frank Hollmann
Musikalische Leitung: Inga Hilsberg • Choreografie: Danny Costello, Farid Halim und Katrin Merkl • Ausstattung: Okarina Peter und Timo Dentler • Licht: Pia Virolainen • Sounddesign: Tom Strebel und Youssef Iskander • Videodesign: Sven Sauer • Motion Design: Alexander Mink • Chor: Marcel Jahn • Mit: Thomas Borchert (Bonifatius), Friedrich Rau (Sturmius), Sabrina Weckerlin (Alrun), Alexander von Hugo (Willibald), Frank Josef Winkels (Gewilip), Andreas Lichtenberger (Radbod), Karsten Kenzel (Luidger), Simon Staiger (Karlmann), Tom Schimon (Pippin), Anke Fiedler (Lioba), Max Gertsch (Lullus/Karl Martell/Papst/Gesandter) u.a. • Kölner Symphoniker
Aufmacherfoto: spotlight musicals/Michael Werthmüller