Das Kultstück „Der kleine Horrorladen“ erinnert an die frühen Sechziger
Die US-amerikanische Horrorkomödie „Little Shop of Horrors“ („Der kleine Horrorladen“) beruht auf einem waschechten B-Movie von Roger Corman aus dem Jahr 1960, angeblich schrieb er das Drehbuch in einer Nacht. Erst drei Tage vor Drehbeginn wurden die Schauspielerinnen und Schauspieler gecastet, nach zwei Tagen und einer Nacht war alles im Kasten, jede Szene wurde nur einmal gedreht.
In Gelsenkirchen hat Regisseur Carsten Kirchmeier in den letzten Jahren immer wieder bewiesen, wie gut Musical am Stadttheater funktionieren kann. Beata Kornatowska verwandelt die Bühne in einen alten, überdimensionalen Filmstreifen. Auch die passenden Kostüme erinnern an die frühen 1960er Jahre, inklusive hochtoupierter Beehive-Frisuren mit Dutt, die mit dem Grad der Bedrohung stets weiterwachsen. Zudem liegt das Filmdrehbuch zuweilen gut ausgeleuchtet auf der Bühne, damit man niemals vergisst, dass wir uns in einem Film befinden. Optisch ist also alles wunderbar und die Bühne wird bestens genutzt.
Gleiches gilt für die fünfköpfige, spielfreudige Band unter der Leitung von Wolfgang Wilger. Leider gibt es ein Aber, das in Gelsenkirchen einfach nicht verschwindet: der Ton im Kleinen Haus. Vorne gibt es keine Lautsprecher am Bühnenrand, sodass die ersten Reihen den Ton nur von hinten hören. Im Rang dagegen klingt es so, als ob der Sound genau vor der ersten Reihe aufhört. Er kommt nur geradeaus von vorne, es gibt lediglich wenige Reihen mit gutem Ton. Das kann sich ein Stadttheater, das deutlich Wert auf seine Musicalsparte legt, heutzutage nicht mehr leisten. Wie großartig wäre dieser Abend, wenn man die Darstellerinnen und Darsteller gut hören könnte – sie hätten es so verdient!
Als junger Seymour, der eben noch wahnsinnig naiv ist und dann recht plötzlich von Ruhm und Reichtum getrieben wird, beeindruckt Nikko Forteza mit seiner schönen Stimme, die genau zur Rolle und zur inneren Haltung passt. Audrey wird von Tamara Köhn gespielt. Aus tiefstem Herzen Dank an Regisseur Kirchmeier, denn die Blumenverkäuferin hat keinen übertriebenen S-Fehler, sie agiert nicht mit zu hoher, sich überschlagender Stimme, sondern singt und spricht ganz normal. So wird Köhns „Jetzt hast du Seymour“ zu einem der Höhepunkte des Abends.
Die drei Erzählerinnen Sonja Hebestadt (Crystal), Julia Heiser (Chiffon) und Elena Otten (Ronnette) haben viel zu tun, werden manchmal Teil der Handlung oder auch der Pflanze, deren Arme sie führen. Die fleischfressende Pflanze, die Sarah Schulze gleich viermal gebaut hat, ist wahrlich bedrohlich und nimmt am Ende den ganzen Verkaufsraum des Ladens ein. In der besuchten Vorstellung springt ungeprobt Regieassistent Danilo Cardoso für den kurzfristig erkrankten Puppenspieler ein. Chapeau!
Als Stimme von Audrey II, der blutdürstigen Pflanze, singt Dennis LeGree mit gewohnt tiefem und sonorem Klang. Er sollte mal wieder seine Aussprache überprüfen, das klang schon besser. Klaus Brantzen ist ein liebenswerter Mr. Mushnik, der schlagartig versteht, wie man aus Seymour Profit schlagen kann. Wenn er nur wüsste, dass genau das ihn bald das Leben kosten wird … Daniel Jeroma übernimmt viele Rollen, wobei der schäbige, masochistische Zahnarzt Orin Scrivello sicherlich im Fokus steht – Jeroma macht dem Part alle Ehre.
Da die Regie sich am alten Film orientiert, entwickeln sich alle Charaktere eher schlagartig und nicht unbedingt nachvollziehbar. Das reißt einen gelegentlich heraus – „Ah, jetzt ist der böse“ oder „Verstehe, jetzt ist Audrey in Seymour verliebt“ –, aber es passt es zum Geist der Produktion. Bleibt nur die Frage, welches Ende die Inszenierung wählt: Wird Seymour einsichtig und rettet Audrey und sich? Gewinnt die Pflanze und frisst die beiden? Oder endet das Stück wie im ursprünglichen Film, wo die Pflanze verblüht?
Musikalische Leitung: Wolfgang Wilger • Ausstattung: Beata Kornatowska • Puppenbau: Sarah Schulze • Choreografie: Tenald Zace • Licht: Mario Turco • Sounddesign: Max Kallien • Mit: Nikko Forteza (Seymour), Tamara Köhn (Audrey/Mrs. Luce), Klaus Brantzen (Mr. Mushnik/Mr. Bernstein), Daniel Jeroma (Orin Scrivello/Penner/Kunde/Interviewer/Agent/Mr. Martin), Sonja Hebestadt (Crystal), Julia Heiser (Chiffon), Elena Otten (Ronnette), Dennis LeGree (Stimme Audrey II), Julius Warmuth/Maximilian Teschemacher (Spiel Audrey II)
Aufmacherfoto: Pedro Malinowski