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Anything Goes

Die wunderbare Leichtigkeit des Seins

oRT
Gerhart Hauptmann-Theater Görlitz
von
Cole Porter (Musik/Gesangstexte)
P.G. Wodehouse, Guy Bolton, Howard Lindsay, Russel Crouse (Buch)
Regie
Holger Hauer
UraufführunG
1934

„Anything Goes“ in Görlitz

Heute sind Kreuzfahrten rund um den Globus ein profitables, mächtig boomendes Geschäft, Klimawandel hin oder her. Vor 90 Jahren dienten Ozeanriesen als oft beschwerliches Verkehrsmittel, lediglich in der First Class gab es verschwenderischen Luxus zu horrenden Preisen. Davon erzählt „Anything Goes“ aus der Feder von Cole Porter, der zugleich die Gesangstexte beisteuerte. 1934 kam dieser erste Hit mit Ethel Merman in der Hauptrolle an den Broadway, es folgten zwei Verfilmungen, eine Neufassung mit dem Buch von Timothy Crouse sowie John Weidmann und mehrere, sehr erfolgreiche Reprisen in New York und im Londoner Westend. Der Text ist geradezu lächerlich lapidar, begnügt sich mit erotisierten Lustbarkeiten auf hoher See, zündet dafür aber bis heute mit seinen Songs – erst recht mit den addierten Evergreens der Bearbeitung. Nun setzte die MS Amerika auf dem Vorplatz des Görlitzer Gerhart Hauptmann Theaters ihre Anker und verspricht ein Open-Air-kredenztes Sommermärchen mit Verwöhnaroma und Einsichten in die wunderbare Leichtigkeit des Seins.

Buchgemäß schippert der Dampfer von New York nach London. An Bord gibt es diverse Verwicklungen, Verwirrungen und Verwechslungen rund um die weltweit sinnlichste Predigerin Sweeney, depperte Burschen, staksige Gangster im Sakraloutift, reiche Makler und verarmte Witwen. Regisseur Holger Hauer fixiert sich auf locker-flockige Unterhaltung ohne dramaturgische Zuspitzungen und Aktualisierungen – mit leichter Brise und gemachem Wellenschlag. Dafür legt er Wert auf Gags, Wortspiele und flotte Sprüche, die dann das nächste Lied auslösen. Entsprechend sorgt vor allem die Musik für den nötigen Schwung, um Publikum und Passigiere drei Stunden lang auf Trab zu halten. Ulrich Kern führt die Neue Lausitzer Philharmonie schurstracks auf Swing und Jazz und lässt die Klänge mitreissend krachen, vom Titelschlager über „You‘re the Top“ und „Blow, Gabriel, Blow“ bis zum knackig lasziven „I Get a Kick Out of You“. Der Sound törnt das Ensemble an, alle tanzen und spielen mit pulsierender Leidenschaft, angefeuert durch die turbulente Choreografie von Lucy Costelloe.

Schnelle Wechsel und rasantes Tempo sind gefragt, dafür entwarf Karel Spanhak die passende Ausstattung und öffnet geschickt Spielräume auf der Drehbühne. Reichlich Farbe dominiert im Stil der frühen 30er Jahre, ein bißchen chic und etwas frech, vom Matrosen-Dress bis very British, raffiniert aufklappbare Kabinen und Platz für bewegungsreiche Vergnügungen auf dem Upper-Deck. Zwischen aufgeblasenem Schein und weniger prächtigem Sein bleibt hier genügend Fläche, um den Plot auszubreiten und die Tänze wirken zu lassen. Das nutzt die Regie prächtig und erst recht die Akteure auf der Bühne, inklusive Ballett und Chor: eine wahre Wonne.   

„Anything Goes“ ist frischgezellter Spaß ohne Tiefgang. Der Atlantik-Liner schnurrt durch diesen amüsante Plot, immer trumpft Cole Porters geschmeidige Partitur. Alle Beteiligten lassen sich davon anstecken und geben ihr Bestens, um die musikalische Komödie mit hoher Knotenzahl ans Ziel zu steuern. Ganz vorn steht Alexandra Farkic als Reno Sweeney. Sie „schmeisst den Laden“, setzt volle Segel und wirbelt die Show zum Siedepunkt. Da haben es die anderen nicht ganz leicht, halten sich aber wacker: Lydia Roscher als naive Hope, Yvonne Reich als ihre resolute Mutter Evangeline. Peter Fabig gibt Lord Evelyn mit herrlichen Allüren aristokratischer Noblesse, Hans-Peter Struppe ist der alerte Börsenmakler Elisha, Buyan Li sein libidonös entflammter Assistent Billy, Michael Berner als Moonface Martin ein schräger Gangster in der Soutane und Brienann Pasko die durchtriebene Erma. Ohne Havarie gelingt hier eine fröhlich beschwingte Tour mit nostalgischem Flair, angedockt an jene Zeiten, als das Musical am Broadway laufen lernte. Die Besucher gehen enthusiastisch von Bord.


Musikalische Leitung: Ulrich Kern, Ausstattung: Karel Spanhak, Choreografie: Lucy Costelloe
Darsteller: Alexandra Farkic (Reno Sweeney), Lyida Roscher (Hope), Yvonne Reich (Evangeline Hardcourt), Peter Fatsig (Lord Evelyn Oakleigh), Peter Struppe (Elisha Whitney), Buyan Li (Billy Crocker), Michael Berner (Moonface Martin), Brieann Pasko (Erna), u. a.
Premiere in Görlitz: 25.05.2024

Aufmacherfoto: Pawel Sosnowski

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