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Gypsy

Flucht ins Glamour-Milieu

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oRT
Oper Halle
von
Arthur Laurents (Buch)
Jule Styne (Musik)
Stephen Sondheim (Gesangstexte)
Regie
Louisa Proske
Uraufführung
1959

„Gypsy“ bringt amerikanischen Hochglanz an die Saale

Hinter den Kulissen knirschte es im Entstehungsprozess gewaltig. Dennoch schaffte es „Gypsy“ 1959 an den Broadway – mit anhaltendem Erfolg. Heute gilt das Musical von Jule Styne (Musik), Stephen Sondheim (Gesangstexte) und Arthur Laurents (Buch) als Klassiker im angelsächsischen Raum. In Deutschland blieb es weitgehend unbekannt. Das liegt vor allem am Plot. Es geht um eine vom Ehrgeiz zerfressene Mutter, die ihre Töchter zu Vaudeville-Stars formen möchte, es dann aber nur bis zur schmierig halbseidenen Burlesque schafft und eigentlich selbst vom Rampenlicht träumt. Daraus entsteht eine emotionale Schaukelpartie zwischen tieftraurigen Augenblicken und Showbiz-Glamour mit hinreißenden Songs. Die Oper Halle traut sich mit der fulminanten Brigitte Oelke als skrupellos resoluter Rose an den Evergreen und sahnt kräftig ab.

Vaudeville und Burlesque haben in der mitteleuropäischen Tradition kaum Bedeutung und Castings für Kinder machten in den USA schon vor einem Jahrhundert Furore, hierzulande erst in jüngerer Vergangenheit. Das erklärt die dürftige Aufführungsbilanz in deutschsprachigen Gefilden. „Gypsy“ fußt auf den Memoiren der gleichnamigen Künstlerin, die im wahren Leben Louise hieß, von ihrer Mutter im Grundschulalter auf die Bretter geschubst wurde, in zwielichtig-anrüchigen Burlesque-Shows strandet, dann aber als Gypsy Rose Lee zur schillernden Striptease-Königin zwischen New York und Los Angeles avanciert.

Nicht sie steht jedoch im Zentrum, sondern ihre Mutter Rose, die auf Biegen und Brechen ihre Töchter June und Louise groß herausputzen und partout dem kleinbürgerlichen Mief von Seattle entfliehen will. Diesen Ansatz verfolgt Louisa Proske in ihrer ausgetüftelten Regie konsequent. Die Handlung arrangiert sie um die Selfmade-Alpha-Frau mit ihrer Besessenheit und Egomanie. Brigitte Oelke füllt die anspruchsvolle Rolle souverän aus, ohne den Bogen zu überspannen. Sie sprudelt vor Energie und bringt in siedendem Aggregatzustand ihre Mission auf Hochtouren. Die Regisseurin sorgt bei den übrigen Hauptfiguren gleichfalls für scharfe Konturen, voran Charlotte Vogel als June mit Babydoll-Effekt, Gerd Vogel als biederer Agent Herbie und Laura Magdalena Goblirsch als Louisa, die als Mauerblümchen startet und zur Revue-Ikone reift. Fabio Kopf als Tulsa steht ebenso im Fokus, mit „Alles, was ich brauche“ legt er eine grandiose Steppnummer hin.

„Gypsy“ lotet die amerikanische Theaterpraxis um 1925 aus. Dafür hat Ausstatter Darko Petrovic die Spielfläche leergeräumt. Sie ist kalt und nackt, öffnet den Blick bis zu den Brandmauern, ein paar Versatzstücke genügen auf der Drehbühne. Seine Kostüme passen sich exakt dem Stil der Zeit an. Choreografin Marie-Christin Zeisset setzt immer wieder überraschende Akzente, garniert mit reichlich Bewegung den Ablauf und das komplette Ensemble bis zum Kinderchor ist mit Feuereifer bei der Sache.

Die Staatskapelle Halle unter Leitung von Yonatan Cohen erweckt den Eindruck, als käme sie direkt aus New York. Es swingt und blitzt in schönster Manier. Viele Hingucker und tolle Songs vertreiben jeden Anflug von Behäbigkeit. Anrührende Momente wechseln sich, dramaturgisch geschickt, mit extraordinär schrillen Szenen ab, zum Beispiel in „Du musst Dir ein Gimmick besorgen“, „Dürfen wir Sie unterhalten“ oder dem kämpferischen „Jetzt ist Rose dran“.

Trotz dreieinviertel Stunden Dauer: eine absolut runde, brillant getimte Produktion mit Witz und Hintergrund, starken Liedern und allem, was ein Musical mit Unterhaltungswert braucht, sowie einer fulminanten Hauptdarstellerin. „Gypsy“ in Halle reckt sich zu Superlativen im Hochglanzformat, das Publikum reagiert euphorisch. Fast zeitgleich zur Premiere an der Saale beginnen die Previews für das bereits fünfte Broadway-Revival.


Musikalische Leitung: Yonatan Cohen • Choreografie: Marie-Christin Zeisset • Ausstattung: Darko Petrovic • Einstudierung Kinderchor: Julia Preußler und Bartholomew Berzonsky • Mit: Brigitte Oelke (Rose), Gerd Vogel (Herbie), Laura Magdalena Goblirsch (Louise alias Gypsy Rose Lee), Charlotte Vogel (June), Fabio Kopf (Tulsa) u.a. • Kinder- und Jugendchor der Oper Halle • Ballettakademie am Opernhaus Halle • Staatskapelle Halle

Aufmacherfoto: Anna Kolata

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