Die deutsche Erstaufführung von „Artus – Der junge König“ punktet mit effektiven Einfällen
In Hildesheim gelingt das Kunststück, die Inszenierung einer alten Legende zum Spaß für die ganze Familie werden zu lassen. Die komplette Musical-Company und der Jugendchor des Theaters für Niedersachsen feiern die umjubelte deutsche Erstaufführung des Musicals „Artus – Der junge König“. In dem 1994 in England von Peter Allwood als Jugendstück herausgebrachten Bühnenwerk wird die Entwicklung des jungen Artus von seiner Geburt an bis zur Königskrönung erzählt. Auf diesem Weg muss er Gefahren, Intrigen, Neid und Kämpfe überstehen. Erst dann kann Artus seine Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit erfüllen und die legendäre königliche Tafelrunde gründen.
Diese Story ist mit allen Zutaten angereichert, die es für ein spannendes Bühnenstück braucht. Der Zauberer Merlin (mit sehr guter Stimmführung: Samuel Jonathan Bertz) übernimmt fern des Königshofes die Erziehung von Artus. Mit seiner Zauberkraft begleitet und beschützt er ihn. Artus’ Schwester Morgana (Katharina Wollmann, am Premierenabend leider hörbar indisponiert) wird vor lauter Schmerz über die Entführung ihres Bruders aus dem Elternhaus zur rachsüchtigen Drachenfrau, die stets auf Böses sinnt. All das wird mit wildem Kriegsgeschehen, fürchterlichem Drachenkampf, Eifersuchtsstreitereien und rührenden Liebesszenen gemischt. Das mysteriöse Schwert Excalibur mit seiner im wahrsten Sinn des Wortes durchschlagenden Kraft darf natürlich auch nicht fehlen.
Regisseur Oliver Pauli vereint diese Ingredienzien zu einem unterhaltsamen Theaterabend. Er lässt das Stück als Theater im Theater auf einer Art Wanderbühne spielen. Davor bewegt oder sitzt der Jugendchor als Publikum und kommentiert, bestens vorbereitet von Achim Falkenhausen, klangvoll singend das Geschehen. Aber immer wieder verschwindet die Distanz zwischen der Wanderbühne und dem Raum davor und der Chor wird Teil des Spiels im Spiel. Es ist erstaunlich, wie authentisch die Jugendlichen agieren. Zwischendurch darf das dramatische Geschehen auch mal ein wenig zum Slapstick werden – besonders der Vater von Artus, König Uther (witzig und stimmlich voluminös: Karsten Oliver Wöllm), tut sich da humorvoll hervor.
Die deutschen Dialoge klingen allerdings manchmal gewollt locker. Nicht immer schaffen es die Musicaldarsteller, die Sprechtexte mit der gleichen professionellen Intensität rüberzubringen wie ihren Gesang. Auch die Logik der Szenenfolge wirkt hier und da etwas simpel. Das aber mag ein Tribut an das junge Publikum sein, für das dieses Stück vorrangig gedacht ist. Nach der Pause verdichtet sich die Inszenierung und zieht endgültig generationsübergreifend in den Bann. Von Anfang an gibt es eine Fülle von einfachen, aber sehr effektiven Einfällen, so wird die kriegerische Kampfszene wirkungsvoll als Schattenspiel dargestellt. Dann wird ein riesiges Tuch, vom Jugendchor in Bewegung gehalten, zum See, aus dem die Herrin des Sees (sehr stimmschön: Elisabeth Köstner) ihre Prophezeiungen verkündet. Und der Dachrand des Theaterkarrens mutiert mit einem Mal zum beweglichen Drachenflügel – ein toller Einfall!
Im Orchestergraben übernimmt der im Musical-Geschäft erfahrene Andreas Unsicker nicht nur das auffallend variationsreich gesetzte Klavier, sondern auch die Leitung eines kompetenten Band-Quartetts. Insgesamt bleibt allerdings fraglich, ob das Stück tatsächlich ein Musical ist oder nicht doch eher eine zeitgenössische Oper. Wirkliche Ohrwürmer nimmt man nicht mit nach Hause, dafür aber eine Fülle von klanglichen Schönheiten wie das Liebesduett zwischen Artus und Prinzessin Guinevere (Lucía Bernandas Cavallini), emotionale, ja fast deklamatorische Tonfolgen, gut gesetzte Chöre und aufregende Klänge wie bei der Kampfszene. Vielleicht mischte Peter Allwood bewusst die verschiedenen Musik-Genres.
Auf jeden Fall gehört das Stück seit seiner Uraufführung in der englischsprachigen Version zu einem der international häufig gespielten Werke. Dem Theater für Niedersachsen gebührt der Verdienst, das Stück nun auch für den deutschsprachigen Raum erschlossen zu haben.
Musikalische Leitung: Andreas Unsicker • Ausstattung: Bernhard Bruchhardt • Chor: Achim Falkenhausen • Mit: Jack Lukas (Artus u.a.), Samuel Jonathan Bertz (Merlin), Katharina Wollmann (Morgana/Morgan Le Fay), Karsten Oliver Wöllm (König Uther u.a.), Elisabeth Köstner (Ygraine/Elaine/Herrin des Sees u.a.), Lucía Bernadas Cavallini (Guinevere u.a.), Daniel Wernecke (Kay u.a.), Jürgen Brehm (Weißer Hirsch u.a.), Ömer Örgey (Leodegranz u.a.), Silke Dubilier (Oberin/Hohepriesterin u.a.) u.a. • Jugendchor des Theaters für Niedersachsen
Aufmacherfoto: Tim Müller