Deutsche Erstaufführung von „Und täglich grüßt das Murmeltier“
Wahren Kultstatus erlangte der Film mit Bill Murray 1993, ein knappes Vierteljahrhundert später folgte eine Musicalfassung, die deutlich weniger reüssierte, obwohl sämtliche Zutaten zünden müssten. Abwechslungsreiche, eingängige Musik, geschliffene Dialoge, spannende Story mit anrührenden Momenten mischen sich zu einem amüsanten Bühnenstück. Danny Rubin (Buch) im Gespann mit Songtexter und Komponist Tim Minchin, von ihm stammt der Londoner Megahit „Matilda“, machten eigentlich alles richtig, um mit „Und täglich grüßt das Murmeltier“ zu punkten. Das dachte auch die Intendanz des Hildesheimer Theaters für Niedersachsen und holte sich die Rechte für eine deutschsprachige Erstaufführung in der flüssigen Übersetzung von Roman Hinze. Ganz klar: Der Aufwand lohnte sich, die Adaption hat Potenzial.
Eng hält sich das Musical an den Film. Der berühmte TV-Wetterfrosch Phil Connors muss zum wiederholten Male in das stocklangweilige Provinzkaff Punxsutawney in Pennsylvania, um über den Murmeltier-Tag zu berichten. Der ist seit 1887 historisch verbrieft und höchst populär, soll immer am 2. Februar die Klimaprognose für das nächste Frühjahr vornehmen. Dieses Mal gerät der übel gelaunte Gast samt Assistentin Rita und Kameramann Larry in einen heftigen Schneesturm, der das Nest von der Außenwelt abschneidet. Es kommt noch schlimmer. Phil strandet in einem Alptraum, erwacht von nun an stets am selben Tag, ausgerechnet dem Tag, dem das Murmeltier seinen Namen gab. Eine grässlich gemeine Zeitschleife, die alles Gewohnte abschneidet, den Mann an Grenzen schubst und sein Leben überdenken lässt, neue Kategorien schafft, am Ende für manch überraschende Erkenntnisse sorgt.
Die Geschichte vom folgenschweren Murmeltier-Tag funktioniert, die Musik ebenso. Besonders Phils wechselnde Gefühlslagen finden darin Ausdruck. Polka, Jazz, Funk, Samba, Funk, Swing, Pop oder eine Ballade wie „Playing Nancy“ leuchten geschickt Emotionen aus, zeigen ihn sarkastisch oder narzisstisch.
In Hildesheim ist für den angemessenen Sound Andreas Unsicker verantwortlich und der versteht sich mit seiner Combo vorzüglich auf Songs wie „Philanthropy“, „One Day“ oder den „Punxsutawney-Rock“, auch wenn in der Premiere die Technik dem akustischen Genuss einen Streich spielt
Im schlichten, wandlungsfähigen Bühnenbild (fünf Boxen als Andeutungen für Saloon, Hotelzimmer oder Karussell) von Felix Wienbürger tobt sich Regisseur Jens Daryousch Ravari kreativ aus, treibt den Spaß auf die Spitze, ohne in billige Albernheiten abzugleiten, führt das zumeist in mehreren Rollen geforderte Ensemble mit großer Sensibilität durch die temporeiche Handlung, stark unterstützt von Choreografin Doris Marlis, die ebenfalls jenseits des abgedroschenen Bewegungsvokabulars optische Reizpunkte platziert. Die Kostüme von Sybille Gänzlen-Zeit sind passgenau geschneidert, runden den positiven Gesamteindruck ab. Ravari bürstet das Musical gegen Kitsch und Klamauk, gönnt im Trubel ab und zu Augenblicke für Sentiment und etwas Ruhe.
„Groundhog Day“, so der Originaltitel des in London 2016 uraufgeführten Musicals, braucht agile, hoch präsente Darstellerpersönlichkeiten, die das Feuer der Story einfangen und in Situationskomik tragen, im zweiten Teil auch mal Zartbitter-Flair versprühen. Das schafft die Hildesheimer Company fast aus dem Stand. Zwischen leisen und aufgedrehten Momenten, Nachdenklichkeit und sprudelndem Wortwitz finden sie das jeweils richtige Timing inklusive Ausdruck, besonders Jürgen Brehm als Phil, der herrlich zwischen abgründiger Verzweiflung, Borniertheit und Sinneswandel pendelt.
Ebenfalls nach ganz vorn spielen sich Elisabeth Köstner als Rita und der Larry von Samuel Jonathan Berth, die übrigen halten mehr als wacker mit, veredeln die deutschsprachige Erstaufführung mit prallem Wumms, genannt seien Katharina Wollmann (Nancy), Joshua Edelsbacher (Ned), Luca Bernadas Cavallini (Debbie) und der schrullige Sheriff von Daniel Wernecke. Wer mit diesem Murmeltier schläfrige Stimmungen assoziiert, irrt: Das Stück wirbelt die Gemüter auf, macht riesiges Vergnügen und begeistert das Hildesheimer Publikum.
Musikalische Leitung: Andreas Unsicker · Inszenierung: Jens Daryousch Ravari · Bühne: Felix Wienbürger · Kostüme: Sybille Gänßlen-Zeit · Choreografie: Doris Marlis · Darsteller: Jürgen Brehm (Phil Connors), Elisabeth Köstner (Rita Hansen), Samuel Jonathan Berth (Larry/Gus), Katharina Wollmann (Nancy Taylor), Joshua Edelsbacher (Ned Ryerson), Silke Dubilier (Mrs. Lancaster), Karsten Oliver Wöllm (Jenson), Lucia Bernadas Cavallini (Debbie), Jack Lukas (Fred), Daniel Wernecke (Sheriff)
Aufmacherfoto: Tim Müller