HOMMAGE AN UDO JÜRGENS - „Helden, Helden“, sein einziges Musical - HIER LESEN

La Cage aux Folles

Verdammt komisch

oRT
Stadttheater Klagenfurt
von
Jerry Herman (Musik)
Harvey Fierstein (Buch)
Regie
Andreas Gergen
UraufführunG
1983

„La Cage aux Folles“ besinnt sich in Klagenfurt auf seine Farce-Elemente

Das Stadttheater Klagenfurt greift auf ein (altbekanntes) Travestie-Musical zurück: „La Cage aux Folles“ geht auch mehr als 40 Jahre nach seiner Uraufführung immer noch, gehört weiterhin zu den meistgespielten Stücken des Genres. Den Aufruf zum Verständnis für gleichgeschlechtliche Liebe muss sich „La Cage“ zwar inzwischen mit unzähligen Filmen und TV-Shows teilen, aber Jerry Hermans Musik geht weiterhin ins Ohr und Travestie samt Glitzerfummel sind auch nie aus der Mode gekommen.

Das Buch von Harvey Fierstein und Hermans Songkatalog sind ziemlich festgezurrt, sodass Regisseure nur bedingt eigene Ideen einbringen können, von kleineren lokalen Gags wie in Klagenfurt einmal abgesehen. Das Londoner Open Air Theatre hievte zum Beispiel im letzten Sommer die Show (irgendwie) in die Jetztzeit, wo alle Darsteller die französische Riviera mit ihren angeborenen britischen Akzenten überfluten durften. Solche Rätselhaftigkeiten sind diesmal nicht zu sehen oder zu hören, auch keine großen Messages: Das Programmheft quillt zwar mit queeren Aufsätzen und Glossaren über, doch auf der Bühne setzt Regisseur Andreas Gergen vor allem auf die komödiantischen Elemente einer Show, die bekanntlich auf der gleichnamigen französischen Farce basiert.

Vor allem Tim Grobe scheint sich unter dieser Prämisse wohlzufühlen. Man hat schon souveränere oder virilere Georges gesehen, aber selten komischere. Grobe landete wirklich jeden Lacher (auch solche, die das Buch kaum hergibt) und verkörpert die männlichere Hälfte des Abends von Beginn an äußerst nervenzerrüttet, mitunter dem Charakter einer Ray-Cooney-Farce ähnelnd: sehr amüsant, wie geschaffen für einen zukünftigen Max Bialystock aus Mel Brooks’ „The Producers“. Mit den Songs kommt er auf jeden Fall gut klar. Wo Grobe alles aus der Komik herauspresst, gibt Mathias Schlung einen etwas zurückhaltenden Zaza. Aber in seinem Monolog – diese Szene kann die Show auch zum Stillstand bringen – präsentiert er sich mit einigen abgehangenen, jedoch auch neuen Gags fast als Stand-Up-Comedian und hat spätestens da das Publikum auf seiner Seite. Grobe und Schlung nähern sich in ihren Rollen von den Extrempolen etwas der Mitte an und geben insgesamt ein einnehmendes und vor allem urkomisches Paar.

Die restlichen Rollen sind in Fiersteins Buch seit jeher etwas unterbeleuchtet, Timotheus Hollweg als Georges Sohn Jean-Michel wirkt weit glaubhafter in seinen Gefühlsschwankungen als viele seiner oft blassen Rollenkollegen. Michael Duregger hätte seinen Edouard Dindon als klaren Schurken des Stücks ruhig noch etwas böser anlegen können. Odette Brenninkmeijer als dessen Frau fügt sich dagegen sehr gut in den komödiantischen Charakter des Abends ein. Gergen als anerkanntem Musical-Spezialisten gelingt es, das Tempo des Abends hochzuhalten und das Publikum gut zu unterhalten. Nur zweimal übertreiben er bzw. sein Choreograf Wei-Ken Liao: Die Disco-Einlage von Grobe und Brenninkmeijer lenkt unnötigerweise vom Hit „Die schönste Zeit ist heut’“ ab, auch wenn sie Applaus einbringt. Und dass Romeo Salazar als Butler/Zofe Jacob slapstickhaft ein Riesenkreuz über die Bühne schleppen muss, kostet der bedauernswerten Anna Rosa Döller als Anne den einzigen schauspielerisch herausfordernden Rollenmoment.

Thomas Stingl ist sowohl für Kostüme als auch Bühne zuständig. Erstere gehören sicher zu den Pluspunkten des Abends, während etwa die Nachtclub-Bilder genauso in jedem anderen Backstage-Musical herhalten hätten können. Das Kärntner Sinfonieorchester unter Günther Wallner wirkt bei Hermans ruhigeren Songs etwas passender als bei dessen schwungvollen Hymnen. Das Klagenfurter Publikum erlebt keinen revolutionären oder Message-lastigen Abend, aber dafür einen sehr amüsanten. Und damit wird die Produktion dem Titel des Stücks eigentlich auch mehr als nur gerecht.


Musikalische Leitung und Chor: Günter Wallner • Choreografie: Wei-Ken Liao • Ausstattung: Thomas Stingl • Licht: Walter König • Mit: Mathias Schlung (Albin/Zaza), Tim Grobe (Georges), Timotheus Hollweg (Jean-Michel), Anna Rosa Döller (Anne Dindon), Romeo Salazar (Jacob), Michael Duregger (Edouard Dindon), Odette Brenninkmeijer (Marie Dindon), Ines Hengl-Pirker (Jaqueline), Thomas Tischler (Francis), Krassimir Tassev (Monsieur Renaud), Dorothea Zimmermann (Madame Renaud), Devin Lion Dreweck (Chantal), David Hegyi (Hanna), Edd Hall (Mercédès), Steffen Gerstle (Phaedra), Simon Lausberg (Odette), Lisa-Marie Rettenbacher (Derma), Clara Maria Determann (Angelique), Benedikt Peters (Colette), Istvan Szauer/Konstantin Gritzner (Gogos), Alexander Tatschl (Kind) • Chor des Stadttheaters Klagenfurt • Kärtner Sinfonieorchester

Aufmacherfoto: Helge Bauer

Kategorien

Archiv

Newsletter
Newsletter

Immer auf dem Laufenden bleiben!