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Jux un Dollerei

Die Kölsche Dolly

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Scala Theater
von
Ralf Borgartz (Buch)
Regie
Ralf Borgartz
Uraufführung
2024

Ausgelassene Stimmung mit „Jux un Dollerei“

Nach dem Tod des Theater- und Filmemachers Walter Bockmayer übernahmen Ralf Borgartz und Arne Hoffmann 2015 das „Scala“. Beide standen fortan als Schauspieler auf der Bühne des Volkstheaters. Borgartz schrieb und inszenierte die Stücke, die nun immer einen Tick vulgärer wurden – vielleicht, weil der Regisseur Borgartz dem Autor Borgartz ungern auf die Finger klopft, wenn er mal wieder allzu derb unter die Gürtellinie greift.

Die neue Produktion „Jux un Dollerei“ wiegt einen erstmal in Sicherheit: Das hübsche Wortspiel des Titels verweist auf Johann Nestroys Singspiel „Einen Jux will er sich machen“ aus dem Jahre 1842 und den 1964 daraus entstanden Broadway-Klassiker „Hello, Dolly!“. Dann erklingen die Anfangstakte der Musical-Ouvertüre, die in den Karnevals-Hit „Wenn das Wasser im Rhein echter Wein wär’ …“  überleiten und das Publikum gleich ins Schunkeln bringen – und jene ausgelassene Stimmung ist gesetzt, die dem Rheinländer so eigen ist.

Geschickt hat Borgartz das Figuren-Arsenal auf sechs Personen reduziert: Der Kolonialwarenhändler Hermann „Manes“ Knötterkopp macht sich mit der Heiratsvermittlerin Dolores „Dolly“ Rothschild vom rechtsrheinischen Ort der Sinnlosigkeit, Zündorf, auf in das linksrheinische, pulsierende Köln des Jahres 1911. Dort will er Eisbuden-Besitzerin Marie-Luise Leckerschlecker seine Aufwartung machen. Heimlich folgen ihnen Manes’ Nichte Stina, ihr Verlobter Fäädi, ein mittelloser Künstler, und Knötterkopps Angestellter Poldi.

Wenn es im Musical so poetisch heißt, dass man nicht zurückkehren will aus New York, „bevor wir nicht ein Girl geküsst hab’n heut’ Nacht“, fährt man nach Köln nur zum „poppen“. Auf der Rhein-Überfahrt trifft man einen vermeintlichen Wal, der eine Wasserfontäne in die Luft bläst. „Ne, dat is die Hella von Sinnen“, wird man belehrt, um gleich darauf Widerspruch zu ernten: „.. aber geblosen hat die ihr Leben noch nie!“ In der Metropole verliebt sich Marie-Luise in Poldi, Dolly schnappt sich den anfangs widerstrebenden Manes, während der schließlich Fäädi als Familienmitglied akzeptiert. Dem Dreifach-Happy-End steht nichts mehr im Wege.

Wie immer agiert das Scala-Ensemble mit „Spaß an der Freud“. Die stimmgewaltige Kirstin Hesse (Stina) zeigt mit dem vor allem durch Céline Dion bekannt gewordenen „All by Myself“ ihre gesanglichen Qualitäten. Sophie Russel gibt nicht nur die verschmitzt-lüsterne Eisbuden-Besitzerin, die für die meisten Zoten zuständig ist, sondern brilliert auch als Opa Otto in einer Travestie-Nebenrolle. Der bei der besuchten Vorstellung für den eigentlichen Hauptdarsteller Ralf Borgartz in die Figur des Manes geschlüpfte Oliver Nell entpuppt sich keineswegs als B-Besetzung, sondern eher als 1B-Ersatz, auch wenn er für die Rolle gelegentlich zu jung wirkt. Aber mit wohltuender Gesangsstimme und präzisem Pointen-Timing macht er dieses Manko immer wieder wett.

Arne Hoffmann (Poldi) und Jens Kipper (Fäädi) fügen sich nahtlos ins spielwütige Ensemble ein, müssen aber auch den geschmacklosesten Gag der Show spielen und sich als Priester einem Blowjob hingeben. Nur die Ensemble-Orgie mit aufblasbaren Sexpuppen toppt das noch. Da kann auch Svenja Schultes ausgelassene Choreografie die Peinlichkeit nicht überspielen. Zum Glück überstrahlt – wie im Original-Musical – die Rolle der Dolly die Szenerie, die Barbara Nöske mit einem Charme ausfüllt, der so manchen derben Kalauer überspielt. Wer die perfekte Hauptdarstellerin für „Hello, Dolly!“ sucht, ist mit einem Besuch im Scala also bestens beraten.


Musikalische Leitung: Christian Wilke • Choreografie: Svenja Schulte • Bühne: Tom Grasshof, Christian Schmell und Nina Horstmeier • Kostüme: Sergio Abajur und Marilene de Silva • Licht: Jonas Anders und Oliver Schell • Ton: Ben Streibig, Wolfgang Proppe und Florian Götz • Mit: Barbara Nöske (Dolores „Dolly“ Rothschild), Oliver Nell (Herrmann „Manes“ Knötterkopp), Kirstin Hesse (Christina „Stina“ Wibbelstätz), Arne Hoffmann (Leopold „Poldi“ Wellens-Gään), Jens Kipper (Ferdinand „Fäädi“ Schönhausen), Sophie Russel (Ottokar Dünnwald und Marie-Luise Leckerschlecker)

Aufmacherfoto: Léon Maxim Gruß/LMG Fotografie

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