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The Addams Family – Das Musical

Vom Nebel verschluckt

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DS Entertainment (Theater am Tanzbrunnen)
von
Marhall Brickman & Rick Elice (Buch)
Andrew Lippa (Musik und Gesangstexte)
Regie
Chris Murray
Uraufführung
2009

Pannenserie zum Tourauftakt der „Addams Family“

Seit sich der Musical Dome fast ausschließlich auf das sogenannte Jukebox-Musicalgenre à la „Moulin Rouge!“ zurückgezogen hat, findet der Broadway in Köln nur noch als Tournee-Veranstaltung statt. Und das ausgerechnet im dafür ungeeignetsten Saalbau der selbsternannten Medien-Metropole: dem Tanzbrunnen. Mit seiner sterilen Atmosphäre in einer unwirtlichen Umgebung lädt dieser nicht gerade zu einem Theater-Event ein. Wenn man dann im ebenerdigen Saal auf unbequemen Stühlen sitzt, ist die Sichtachse meist so eingeschränkt, dass man die Darstellerinnen und Darsteller, wenn sie auf der Bühne sitzen, nur noch als Köpfe wahrnimmt.

Keine guten Startbedingungen für den seit 12 Jahren auf Dinner-Shows spezialisierten Veranstalter DS Entertainment, der mit „The Addams Family“ sein erstes Musical auf die Bühne bringt. Zu allem Überfluss sorgen vor der Premiere auch noch fehlerhaft ausgedruckte Tickets für Chaos bei der Platzsuche. Als mit einer halben Stunde Verspätung dann endlich das „eiskalte Händchen“ zwischen dem Vorhang hervorlugt und schnippend in den vernebelten New Yorker Central Park bittet, hofft man, sich endlich der makabren Familiengeschichte der Addams hingeben zu können. Doch Pustekuchen: Die Ablufttechnik gibt ihren Geist auf – und so wird so manche Figur (und mit ihr ihre Mimik) vom sich auf der Bühne festsetzenden Nebel verschluckt.

Aus dem schält sich dann irgendwann doch noch die Hauptverantwortliche des Abends, DS-Entertainment-Geschäftsführerin Diane Lübbert, die auch die Hauptrolle der Morticia übernommen hat. Mit Ehemann Gomez, ihren beiden Kindern Wednesday und Pugsley, der Großmutter, Onkel Fester und dem Faktotum Lurch lebt sie in einer schaurig-geheimnisvollen Villa mit eigenem Friedhof. Als Wednesday sich in Lucas, den Sohn von Alice und Mal Beineke, verliebt und die Familie zum gemeinsamen Kennenlernen einlädt, treffen morbide Exzentrik und Spießertum aufeinander – mit unvorhersehbaren Folgen …

Die exzentrische Horror-Familie hatte Comic-Zeichner Charles Addams 1938 für den „New Yorker“ kreiert. In den 60er Jahren folgte eine weltweit erfolgreiche TV-Serie und in den 90ern drei Kinofilme mit dem Gothic-Clan. 2009 machten Andrew Lippa (Musik und Gesangstexte) sowie Marshall Brickman und Rick Elice (Buch) daraus ein Musical, das mittlerweile auch hierzulande Kultstatus genießt.

Ob es in dieser Inszenierung neue Fans findet, ist allerdings zu bezweifeln. Regisseur Chris Murray versäumt es vor allem, die sich dahinschleppende Handlung zu straffen und allen Figuren emotionale Tiefe zu verleihen. Diane Lübbert (Morticia) und Werner Wulz (Gomez) gelingt es noch am überzeugendsten, durch ihre gesangliche und schauspielerische Harmonie für ihre Figuren zu interessieren: herrlich ihr Tango, mit dem sie sich auf ihre zweiten Flitterwochen in der Kanalisation von Paris einstimmen. Das Gleiche gilt für den wie Frankensteins Monster grunzend in Zeitlupe durch die Szenerie schlurfenden Benoit Pitre, der mit seinem wohlklingenden Bass als Lurch auch einen Showstopper ( „Tauch’ hinab ins Dunkel“)  zum Besten geben darf. Und eigentlich auch für Alexander Janacek, dessen Onkel Fester auf berührende Weise den Mond anbetet. Die Technik macht ihm aber den größten Strich durch die Rechnung: Sein Microport fällt fast das halbe Stück aus. Von diesem Missgeschick ist auch so manch anderer Darsteller betroffen, wenn auch „nur“ für – oft allerdings entscheidende – Sekunden. So verpasst man manchen Gag oder einen wichtigen, die Handlung erklärenden Dialog. Der schrillen „Schrei“-Stimme von Sarah Gadingers Wednesday (und unseren Ohren) hätte allerdings so ein „Ausfall“ wohlgetan. Andererseits gibt es ja schon genug Pannen, die mehr im Gedächtnis bleiben als die amüsanten und unterhaltsamen Seiten dieser misslungenen Premiere…


Musikalische Leitung: Stephan Ohm • Choreografie: Harald Kratochwil • Ausstattung: DS Entertainment • Licht: Florian Quirinius Deuss • Ton: Peter Mohrenz • Mit: Werner Wulz (Gomez Addams), Diane Lübbert (Morticia Addams), Sarah Gadinger (Wednesday Addams), Maik Dehnelt (Pugsley Addams), Alexander Janacek (Onkel Fester), Ilona M. Wulff-Lübbert (Grandma), Benoit Pitre (Lurch), Daniel Hauser (Lucas Beineke), Birgit Widmann (Alice Beineke), Daniel Witzke (Mal Beineke) u.a.

Aufmacherfoto: Michael Ertelt

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