Thomas Hermanns macht aus Howard Carpendales Schlagern ein Musical
Am Premierenabend ist Howard Carpendale selbst in der Musikalischen Komödie: Das 78-jährige Schlager-Urgestein reiht sich gut gelaunt in den Schlussjubel ein. Der TV-bekannte Comedian, Autor und Regisseur Thomas Hermanns hat aus einem Best-of von Carpendale-Hits das Musical „Hello! Again?“ gebastelt. Musikalisch ist das ohne Risiko, denn alle Titel haben längst ihren Platz im kollektiven Langzeitgedächtnis. Für die Umsetzung ist die MuKo mit ihrem versierten Orchester, Chor und Ballett als Genreprofi eine erste Adresse. Vier von sechs Hauptpartien sind nur deshalb mit Gästen besetzt, damit dieses Musical, dann mit Combo-Besetzung, auf Tour gehen kann, ohne den Spielbetrieb in Leipzig zu beeinträchtigen.
Die Carpendale-Vorlagen sind vor allem deshalb so prädestiniert für ein Musical-Nachleben, weil es zur eingängigen Melodie immer das kleine balladeske Dramolett gibt. Daraus wird bei Hermanns die Geschichte einer Frau zwischen zwei Männern. Auf der einen Seite haben wir den ehrgeizigen, aber etwas langweiligen Ehemann Rolf (Christof Messner), bei dem hinter der freundlichen Frauenversteher-Toleranz das Frauenbild des Nachkriegs-Westdeutschland noch immer nicht ganz verschwunden ist. Der Gegenentwurf als „echter Mann“ ist der sexy Pizzabote Matteo (Thomas Hohler), der natürlich alle gängigen Klischees des italienischen Lovers bedient. Zwischen ihnen steht Hanna (Roberta Valentini). Auf Drängen ihrer, nun ja: etwas spießigen, mittlerweile erwachsenen Tochter (Da-yung Cho), die mit ihrem Kostya (Ivo Kovrigar) auf eine Musterehe samt Kinderwunsch zusteuert, entscheidet sie sich nach jahrelangem Hin und Her endlich für Matteo. Der aber folgt einer Order und übernimmt brav in Venedig das Familienrestaurant. Er heiratet dort, lässt sich dann aber auch wieder scheiden – wie das Leben (in der Welt der Wohlfühlgeschichten im Nachmittags-TV) eben so spielt. Gründlicher kann man das titelgebende „Hello! Again?“ für einen neuen Versuch Matteos bei Hanna kaum vorbereiten …
Hermanns lässt diese Geschichte über drei Jahrzehnte in einem Haus der Liebe ablaufen. Die Vermieterin Ottilie ist nicht nur gute Freundin von Hanna und auch Rolf, sondern gleichzeitig das Medium jener Geister der Vergangenheit, die in diesem Haus schon gelebt und geliebt haben. Sie ist für das historisch zwischen Kaiserzeit und Hippie-Mode kostümierte Personal der Vergangenheit und damit für den manchmal schon etwas arg konstruierten Überbau zuständig. Angela Mehling bewältigt dabei auch die gesprochenen Passagen souverän. Ihr ist das melancholische „Tür an Tür mit Alice“ vorbehalten, das hier die unerfüllte erste Liebe zu einer Frau beschreibt.
Die eigentlichen Szenen einer Ehe starten recht plausibel mit „Das schöne Mädchen von Seite 1“ (das Rolf „haben will“ – und bekommt). Und enden mit dem „Hello Again“ des nach der Scheidung aus Venedig zurückkehrenden Liebhabers, der einfach mal bei der mittlerweile in der Langeweile-Krise der Hamburger Vorstadt-Idylle angekommenen Hanna klingelt.
Der mit zeitlichen Rückblenden aufgepeppte, überschaubare Grundkonflikt, der entlang der insgesamt 16 bewährten Hits verhandelt wird, spitzt sich nie richtig böse oder hochdramatisch zu. Aber wenn es dann doch melancholisch wird, etwa mit „Deine Spuren im Sand“, oder wenn die Handlung mit „Ti amo“ und schließlich „… dann geh doch“ dramatisch eskaliert, dann erweist sich aufs Schönste, dass Schlager eben auch etwas mit dem Leben zu tun haben und emotional packen können.
Marian Lux, Jonas Schoen-Philbert und Markus Syperek haben dafür die gutgearbeiteten Arrangements beigesteuert. Das (per Hand!) rotierende Siedlungshaus hat Hans Kudlich so gebaut, dass es von allen Seiten einsehbar ist. Die Kostüme von Aleksandra Kica folgen den episodenhaften Zeitsprüngen. Am Ende trägt Carpendales Musik unter der Leitung von Michael Nündel mühelos auch das dazu erfundene Musical. Und begeistert das Publikum.
Musikalische Leitung: Michael Nündel • Choreografie: Mirko Mahr • Bühne: Hans Kudlich • Kostüme: Aleksandra Kica • Chor: Mathias Drechsler • Mit: Roberta Valentini (Hanna), Angela Mehling (Ottilie), Da-yung Cho (Lisa), Christof Messner (Rolf), Thomas Hohler (Matteo), Ivo Kovrigar (Kostya) • Chor, Orchester und Ballett der Musikalischen Komödie
Aufmacherfoto: Kirsten Nijhof