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TheAddamsFamily MuKoLeipzig c Tom Schulze 1 | MUSICAL TODAY

The Addams Family

Subtil inszeniertes Lachtheater

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oRT
Oper Leipzig (Musikalische Komödie)
von
Andrew Lippa (Musik und Liedtexte)
Marshall Brickman und Rick Elice (Buch)
Anja Hauptmann (Deutsche Fassung)
Regie
Till Kleine-Möller
Uraufführung
2009

Ein fantastisches Ensemble für die „Addams Family“

Gleich zu Beginn herrscht Anarchie im Orchestergraben! Charles Addams hat seine schräge „Addams Family“ 1938 zunächst für den „New Yorker“ erdacht, bevor sie durch Film und Fernsehen einem breiten Publikum bekannt wurden. Genug ist nie genug, und so kam das Musical von Marshall Brickman und Rick Elice mit der Musik von Andrew Lippa 2009 in Chicago zur Uraufführung. An der berühmtesten Theatermeile der Welt in New York machte es in einer Starbesetzung (Nathan Lane als Gomez und Bebe Neuwirth als Morticia) ab dem Folgejahr Furore und erobert seither nicht nur die Herzen eines verwöhnten amerikanischen Publikums.

Das Stück ist skurril, frech, albern und anzüglich zugleich, mancher Gag wird unter der Gürtellinie verhandelt. Sei’s drum, Leipzig hat „The Addams Family“ in den Spielplan genommen – und gewinnt. Grund dafür ist das fantastische Ensemble des Hauses, allen voran Olivia Delauré als Wednesday Addams. Um sie geht es in dieser Geschichte, denn sie hat sich in Lucas Beineke (Johann Zumbült) verliebt. Problem: Wednesday stammt nicht unbedingt aus einer „normalen Familie“. Man wohnt auf einem Friedhof. Ihr Vater Gomez ist stolz auf seine Folterkammer. Mutter Morticia hat die Fäden der Familie in der Hand und mag das Skurrile – ein lustwandelndes eiskaltes Händchen, die fleischfressende Pflanze Cleopatra. Die Kinder Wednesday und Pugsley (Da-yung Cho) sind Sado-Maso-Spielchen auf der Streckbank nicht abgeneigt. Grandma (Sabine Töpfer) experimentiert mit Drogen und Onkel Fester ist verliebt in den Mond. Alles normal – bis auf den Umstand, dass Wednesday die Beinekes zum Kennenlernen eingeladen hat …

Aus dieser harmlos wirkenden Boulevard-Dramaturgie wird Lachtheater allerhöchster Güte. Regisseur Till Kleine-Möller gewinnt dem banalen Plot einiges ab. Da ist zunächst die subtile Behandlung von Sprache und Bewegung – gesungen wird an diesem Haus sowieso auf hohem Niveau. Delauré zeigt als Wednesday mit ihrem verstockten Gang ein Mädchen, das sich mit aller Macht gegen die Eltern und damit gegen die Welt behaupten will. Das tänzelnde Schwadronieren von Gomez, die ausladenden Gesten von Morticia sind Attitüden, die auf Parodie verweisen.

Die Vielschichtigkeit der Geschichte betont Kleine-Möller, indem er uns zwei Seiten der Ehe beschreibt. Als Gomez ist der umwerfend komische Tobias Licht nach 25 Jahren immer noch in Morticia verliebt: schmachtend und leidend bei Liebesentzug, zwischen Eheweib und Tochter hin- und hergerissen. Franziska Becker zeigt die Grande Dame der Familie exaltiert, gerissen und doch sympathisch: große Kunst! Der sanfte und fast unscheinbare Onkel Fester von André Haedicke setzt mit seiner Figur einen Kontrapunkt zum turbulenten Geschehen, das mit dem Erscheinen der Beinekes erst richtig Fahrt aufnimmt. Vater Mal (Jeffery Krueger) ist genügsam und irgendwie mit sich im Reinen, Nora Lentners frustrierte Alice Beineke aber heult sich nach dem Genuss des falschen Getränks die Seele aus dem Leib und veranstaltet großes Kino – Szenen einer Ehe eben.

Kleine-Möller lässt die Protagonisten nicht von der Leine. Sie können ihrem Affen Zucker geben, aber nur solange es dem Stück dienlich ist. Das erfordert höchste Disziplin im Spiel. Bestes Beispiel ist Michael Raschle als Lurch: Das Geschöpf aus Frankensteins Anatomie-Baukasten wirkt deshalb komisch, weil er seine Präsenz sehr ernst nimmt. Lurch verkündet im tiefsten Bass die Moral der Geschichte: Tauch hinab ins Dunkel und stell Dich deinen Albträumen.  

Die Produktion überzeugt durch die opulenten Kostüme von Timo Radünz, der auch für die auf hohem Standard getanzten Choreografien verantwortlich ist. María Reyes Pérez hat eine zauberhafte Bühne bauen lassen, auf der etwa lebende Porträts an „Harry Potter“ erinnern. Das Orchester unter Michael Nündel bestätigt mit diesem Abend sein hohes Maß an Musikalität und wird am Schluss der Aufführung genauso wie das Ensemble und der Chor unter Mathias Drechsler frenetisch gefeiert.


Musikalische Leitung: Michael Nündel • Regie und Licht: Till Kleine-Möller • Choreografie und Kostüme: Timo Radünz • Bühne: María Reyes Pérez • Video: Grigory Shklyar • Choreinstudierung: Mathias Drechsler • Mit: Tobias Licht (Gomez Addams), Franziska Becker (Morticia Addams), Olivia Delauré (Wednesday Addams), André Haedicke (Onkel Fester), Da-yung Cho (Pugsley Addams), Sabine Töpfer (Grandma), Michael Raschle (Lurch), Johann Zumbült (Lucas Beineke), Nora Lentner (Alice Beineke), Jeffery Krueger (Mal Beineke) • Chor, Extrachor, Ballett und Orchester der Musikalischen Komödie

Aufmacherfoto: Tom Schulze

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