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Love Never Dies

Kitschtriefende Fortsetzung

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Ort
Theater Lüneburg
VON
Andrew Lloyd Webber (Musik)
Glenn Slater (Gesangstexte)
Ben Elton (Buch)
Regie
Friedrich von Mansberg
Uraufführung
2010

Andrew Lloyd Webbers „Love Never Dies“ scheitert an sich selbst

Mutig, wahrlich mutig, dieses kleine Theater Lüneburg, sich eines dieser romantischen Schinken Lloyd Webbers anzunehmen, die gemeinhin in den großen Musical-Häusern der Republik die Wucht ihrer Sentimentalität verströmen. Nicht dass es immer eine gewaltige Bühne bräuchte, um sich dem kompositorischen Pathos von Sir Andrew in seiner ganzen Fülle hingeben zu können – doch es bleibt allein schon musikalisch eine Herausforderung für kleinere Ensembles und Theater. In der Hansestadt wird sie von den Lüneburger Symphonikern unter Christoph Bönecker voller Verve und Schmalz gemeistert, auch wenn nicht immer alle Effekte und großen Crescendi im Orchester taktgenau abgestimmt sind.

Weit mehr Fragezeichen hinterlässt indes die Stückwahl: Was nur hat Intendant Friedrich von Mansberg dazu gebracht, ausgerechnet das Musical „Love Never Dies“ für solch eine künstlerische Kraftanstrengung auszuwählen, jene dürftige Fortsetzungsgeschichte Lloyd Webbers von seinem, ja dem weltweit erfolgreichsten Musical aller Zeiten: dem „Phantom der Oper“?

Mag es auch ein kleiner Coup sein, dass es den Hansestädtern als zweitem Stadttheater nach Magdeburg im vergangenen Jahr gelungen ist, die Aufführungsrechte zu erhalten: Es hat schon seine Gründe, dass die Geschichte weder bei ihrer Londoner Uraufführung 2010 noch den weiteren Stationen in Wien, Kopenhagen und Hamburg das Publikum wirklich länger in Atem hielt. Denn dem Briten ist musikalisch schlicht nichts Neues eingefallen in den über zwei Jahrzehnten zwischen dem ersten Spuk des Maskenmanns im Pariser Opernhaus und seinem neuen Auftritt in New York.

Statt in den dunklen Operngängen bewegt sich das Phantom nun im erleuchteten New Yorker Vergnügungspark Coney Island als Impresario eines Vaudeville-Theaters. Doch die Vergangenheit lässt den physisch und psychisch Vernarbten nicht los (Thomas Borcherts stimmliche Qualitäten reichen leider nicht mehr über eine solide Mittellage hinaus). Und so lockt er seinen einstigen One-Night-Stand, die erfolgreiche Opernsängerin Christine (hörenswert: Navina Heyne), samt Gatten (farblos: Oliver Arno) und Söhnchen (eindrucksvoll: Anneke Kramer) mit einem Angebot nach Übersee. Der Anfang vom Ende, es kommt zum verbalen Kneipen-Showdown der beiden Männer und im Finale stirbt in himmlischen Sphären … die begehrte Frau, durch einen versehentlichen Pistolenschuss ihrer Rivalin Meg (Anna Langner gelingt ein sehens- und hörenswertes Rollenporträt).

Klingt abstrus und an den Haaren herbeigezogen? Ist diese Story auch. Vor allem aber fehlt die erzählerische Spannung, und so schleppt sich diese kitschtriefende Fortsetzung bisweilen im Zeitlupentempo dahin – nicht zuletzt, da Lloyd Webber musikalisch nichts Originelles mehr aus der Feder floss. Das Ergebnis ist vor allem eines: schlicht, ja bisweilen geradezu dürftig durchkomponiert und unglaublich ermüdend in seinen kaum variierten Wiederholungen.

Da nützt es auch nichts, dass sich Barbara Bloch und Benjamin Burgunder mit Bühnenbild und Kostümen alle Mühe gegeben haben für die kunterbunte Freak-Show auf Coney Island, Hausherr von Mansberg sich um eine zügige Regie der dürftigen Geschichte und das Ensemble um manche psychologische Nuance bemüht: Ein Musical lebt nun einmal (auch) von Hits und Ohrwürmern. Doch unsterbliche Melodien wie die Katzen-Arie „Memory“ oder „Don’t Cry for Me Argentina“ aus dem Klassiker „Evita“ waren Lloyd Webber zur Entstehungszeit schon lange nicht mehr in den Sinn gekommen – und so bleibt der Besucher nicht allein von Melodien verschont, die noch über Jahre durch seine Gehörgänge kreisen, sondern auch sonst seltsam unberührt. Mag die Liebe auch nie sterben, für ihre Klänge hier gilt das zweifellos nicht …


Musikalische Leitung: Christoph Bönecker • Choreografie: Olaf Schmidt • Bühne: Barbara Bloch • Kostüme: Benjamin Burgunder • Mit: Navina Heyne (Christine Daaé), Thomas Borchert (Das Phantom), Oliver Arno (Raoul), Kirsten Patt (Madame Giry), Anna Langner (Meg Giry), Steffen Neutze (Squelch), Sascha Littig (Gangle), Sarah Hanikel (Fleck), Anneke Kramer (Gustave) • Haus- und Extrachor des Theaters Lüneburg • Musicalensemble der Akademie Junges Musiktheater • Lüneburger Symphoniker

Aufmacherfoto: Jochen Quast

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