Charles Dickens’ „Weihnachtsgeschichte“ sorgt auf Tour für Advents-Stimmung
„Die vielleicht berühmteste Weihnachtsgeschichte neben der Bibel“ – so lässt sich Charles Dickens „A Christmas Carol“ wohl ohne Übertreibung bezeichnen. In zahlreichen Verfilmungen schlüpften Schauspielgrößen wie Patrick Stewart, Michael Caine oder Jim Carey ins Kostüm des griesgrämigen Ebenezer Scrooge, für den Weihnacht einfach nur Humbug ist. Und auch auf der Musicalbühne erfreut sich der Stoff anhaltender Beliebtheit. 2014 machten sich Christian Berg und Michael Schanze daran, „Eine Weihnachtsgeschichte“ als unterhaltsames Familienmusical neu aufzubereiten. Ihre Version tourt nun in einer leicht überarbeiteten Fassung wieder durch die Republik.
Dass zur Adventszeit ein bisschen Kitsch und Nostalgie dazugehören, weiß natürlich auch Regisseur Christoph Weyers. Als sein eigener Bühnenbildner hat er einen detailverliebten Londoner Straßenzug des 19. Jahrhunderts nachgebaut und lässt davor die Schneemaschine ordentlich rieseln. Schon beim Betreten des Theaters hört man Schlittenglöckchen aus der Ferne und Markschreier, die ihren Punsch oder heiße Maronen anpreisen. Das sorgt bereits vor Showbeginn für die nötige Vorfreude. Immun gegen die selige Adventsstimmung ist lediglich Ebenezer Scrooge: ein alter Miesepeter, dem in der Weihnachtsnacht drei Geister erscheinen, um ihn schnell wieder auf den rechten Weg zu führen.
Diese Paraderolle teilen sich in der aktuellen Tour Holger Hauer und Uwe Kröger, der in der besuchten Vorstellung im Deutschen Theater München mit großer Spielfreude die muffige Spaßbremse herauskehrt. Vor allem das junge Publikum hat seine Freude an den mit großer Geste ausgestellten Gags. Kröger spielt und singt oft für die Plätze im oberen Rang, doch weiß er sich wenn nötig auch von seiner gefühlvollen Seite zu zeigen. Etwa dann, wenn der Geist der vergangenen Weihnacht ihn noch einmal den Verlust seiner großen Liebe Bella durchleiden lässt und Scrooge als gebrochener Mann zurückbleibt. Eine Szene, die umso mehr in Herz trifft, weil zuvor Nadine Kühn als durchgeknallter Weihnachtsgeist eine temporeiche Revuenummer anführt, für die Michael Schanze seine Zutaten in der Goldenen Ära des Broadway fand und das ganze anschließend noch mit ordentlich Zuckerguss und bunten Streuseln verzierte.
Andere musikalische Einflüsse finden sich u.a. bei den großen Disney-Klassikern wie „Die Schöne und das Biest“ – wenn etwa plötzlich eine Straßenlaterne und eine Tür unvermittelt zum Leben erwachen und dann ebenso schnell wieder aus der Handlung verschwinden. Obwohl das alles äußerst kurzweilig vorbeirauscht, findet sich da schon auch einiges an Füllmaterial. Wobei man dem 14-köpfigen Ensemble unbedingt ein Kompliment aussprechen muss. Denn fast alle sind hier gleich in zwei oder mehr Rollen zu erleben, was neben raschen Kostümwechseln auch große Wandlungsfähigkeit abverlangt. Hervorheben muss man vor allem Esther Konzett, die als Tiny Tim die Herzen des Publikums erweicht, und Tim Al-Windawe, der als Bob Cratchit das warmherzige Gegengewicht zum gefühlskalten Scrooge bildet.
Ein Wermutstropfen bleibt dagegen wie so oft bei ShowSlot-Produktionen wieder einmal die Beschallung. Denn die aus der Konserve zugespielte Band knallt an vielen Stellen wenig besinnlich aus den Lautsprecherboxen und deckt den Gesang mehr als einmal zu. Und das hat sich dieses hoch motivierte Ensemble gerade zum Frohen Fest nun wirklich nicht verdient.
Regie und Bühne: Christoph Weyers • Choreografie: Natalie Holtom • Kostüme: Thomas Dohm • Musical Supervisor: Pascal Kierdorf • Mit: Uwe Kröger (Ebenezer Scrooge), Nadine Kühn (1.Geist/Mrs. Quitt u.a.), Robert Schmelcher (Jacob Marley/Mr. Fezziwig u.a.), Tim Al-Windawe (Bob Cratchit u.a.), Esther Konzett (Tiny Tim u.a.), Eva Schütz (Newsgirl u.a.), Simon Staiger (Alfred Miller/Tür u.a.), Torben Bach (2. Geist/Junger Scrooge u.a.), Julia Werbick (Mrs. Cratchit/Mrs. Fezziwig u.a.), Anna Lucia Faradi (Straßenlaterne u.a.), Katharina Schmitz (Bella u.a.), Merline Kramer (3. Geist/Mrs. Quatt u.a.) u.a.
Aufmacherfoto: Jens Ochmann