3045 | MUSICAL TODAY

Wie werde ich reich und glücklich?

Bye, Bye, Happiness

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Theater Münster
von
Felix Joachimson (Buch)
Mischa Spoliansky (Musik)
Andres Reukauf (Orchesterarrangement)
Regie
Georg Schütky
UraufführunG
1930

„Wie werde ich reich und glücklich?“ macht keinen glücklich

Ein Raunen der Vorfreude geht durch den Zuschauerraum, als unter dem schwungvollen Dirigat von Henning Ehlert die ersten Töne von Mischa Spolianskys Musik anheben. Seine 1930 uraufgeführte Revue „Wie werde ich reich und glücklich?“ erklingt mit dem Sinfonieorchester Münster in neuem Gewand, arrangiert von Andres Reukauf. Dann hebt sich der Vorhang – und man fühlt sich durch das minimalistische Bühnenbild von Daniel Angermayr eher an symbolüberfrachtete Regietheater-Inszenierungen erinnert als an große Unterhaltungs-Shows.

Da schwebt eine in einen schwarzen „Sack“ gehüllte Frau vom Schnürboden herab auf ein weißes Podest und von einer überdimensionalen, orangefarbenen Kürbishälfte rutschen auf einer blauen Kinderrutsche die übrigen Ensemblemitglieder herunter, eingekleidet von Wieland Lemke wie für einen Karnevalsball. Nach eigenen Aussagen hat sich Regisseur Georg Schütky bei seinem Inszenierungskonzept von Walt Disneys erster erfolgreicher Zeichentrickfigur „Oswald – der lustige Hase“ aus dem Jahr 1927 inspirieren lassen. Hätte er sich doch lieber mal die großen deutschen Revuefilme der 30er Jahre und die frühen Musicalstreifen Hollywoods angesehen, um eine Ahnung von den Gesetzmäßigkeiten des Genres zu bekommen. Man muss das Publikum nicht mit dem pädagogischen Zeigefinger darauf hinweisen und seinen Protagonisten „Krise“ aufs Kostüm schreiben oder sie mit einem „Hunger“-Schild durch die Szene schicken. Denn das Original-Libretto von Felix Joachimson (1902-1992), der sein Buch in zehn Kapitel – ein Schelm, der Blasphemisches dabei denkt – unterteilt hat, bietet schon so viel Hintergründiges, dass man es nicht mit Modernismen überfrachten muss.

Wie im Original finden auch in der Münsteraner Fassung der junge arme Mann Kibis, seine Freundin Lis sowie die reiche, unglückliche Fabrikantentochter Marie eine Werbung für den Kurs „Wie werde ich reich und glücklich?“ im Briefkasten. Kibis verlässt Lis und sucht sein Glück in reichen Kreisen, Marie das ihre wiederum im sozialen Engagement für die Armen der Gesellschaft. Kibis und Marie lernen sich kennen und heiraten. Doch das Glück will sich nicht einstellen: Scheidung. Kibis trifft zufällig Lis wieder, die alte Liebe flammt auf. Und Marie erhört endlich ihren langjährigen Verehrer F.D. Lohrenz. Dem Doppel-Happy-End steht nichts mehr im Wege …

Wäre da nicht der Regisseur, der seine vier Protagonisten ständig die (Geschlechter-)Rollen wechseln lässt. Da muss man schon genau hinsehen und -hören, um nicht durcheinander zu kommen. Da das Programmheft keine Auskunft über die Rollenbesetzung gibt, lassen sich die schauspielerischen Leistungen kaum zuordnen. Das wirkt allzu politisch korrekt, bremst aber, genau wie die dramaturgisch undurchdachte Einbeziehung des inklusiven Münsteraner Laien-„Glücksensembles“, den Fluss der Inszenierung, die letztlich keinerlei Gespür für Humor und das Timing von Gags entwickelt.

Immerhin sind die Sänger gut mit dem Orchester abgestimmt, obwohl die fehlenden Microports sich bisweilen auf die Textverständlichkeit auswirken und man sich etwas mehr Operetten- oder Schlager-Klangfarben gewünscht hätte. Da auch die Ideen von Josep Caballero Garcia, geschlechtsspezifische Körperlichkeit und Queerness in seine Choreografien einzubringen, hier nicht so richtig zünden wollen, ist von „Showbusiness“ auf der Bühne nichts zu sehen. Zu allem Überfluss radelt auch noch – in einer von Martin Zwiehoff talentfrei gefilmten Video-Sequenz – ein Fahrradfahrer völlig sinnentleert durch das heutige Münster und versetzt so der Revue den letzten Todesstoß. Im Nachhinein wünscht man sich, dass der Vorhang gar nicht hochgegangen wäre und uns nur das Sinfonieorchester den ganzen Abend mit Mischa Spolianskys wunderbaren Melodien beglückt hätte, von „Erstens kommt es anders“ bis „Auf Wiederseh’n“.


Musikalische Leitung: Henning Ehlert • Choreografie: Josep Caballero Garcia • Bühne: Daniel Angermayr • Kostüme: Wieland Lemke • Mit: Gregor Dalal (Darsteller*in), Ilja Harjes (Darsteller*in), Marion Wulf (Darsteller*in), Angela Braun (Darsteller*in), Regina Speiseder (Darsteller*in), Thorbjörn Björnsson (Darsteller*in), Ricardo Frenzel Baudisch (Darsteller*in) • Glücksensemble • Sinfonieorchester Münster

Aufmacherfoto: Sandra Then

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