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1 Ida Marie Brandt Kerstin Westphal Foto Silke Winkler | MUSICAL TODAY

De Moorkatenoper

Arme Leute, schräge Vögel und ein Mord

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Mecklenburgisches Staatstheater
von
Peter Michael (Musik)
Gerhard Loew (Buch und Liedtexte)
Regie
Dirk Audehm
Uraufführung
1978

Ein Kultstück auf Plattdeutsch: „De Moorkatenoper“

Traumkulisse eines plattdeutschen Bluesmusical-Sommerabends: Wolkenlos der blaue Himmel über dem Freilichtmuseum Schwerin-Mueß, im satten Grün der Bäume zwitschern die Vögel, während das Publikum sich im weiten Garten vor dem historischen niederdeutschen Langhaus auf Klappstühlen niedergelassen hat und erwartungsvoll auf Harry Behlaus schlichte Küchenkulisse vor dem rot-weißen Fachwerkbau blickt.

Einen „Mordsspaß“ verspricht das Programmheft des Mecklenburgischen Staatstheaters für die Neuproduktion „De Moorkatenoper“ – dabei ist der Ursprungsstoff eine Arme-Leut’-Geschichte, ein Stück Volkstheater über die Auseinandersetzung mit den Großkopferten. Und zwar nicht irgendeines, sondern das erfolgreichste Mundartstück der 80er Jahre mit bis heute weit mehr als 1.000 ausverkauften Vorstellungen – auf Bairisch. Vor bald 50 Jahren schufen Texter Gerhard Loew und Komponist Peter Michael ihre „Grattleroper“ um das Schicksal der Bauernfamilie Fischlechner, deren Sohn im Wald durch eine Kugel ums Leben kommt. Doch während sich die Eltern in Trauer ergehen, glaubt die Schwester nicht an einen Unfall beim Wildern und findet am Ende mit Hilfe eines Landstreichers den Mörder in Diensten des herrschenden Grafen.

Ein Stoff, der im Süden der Republik längst Kultstatus erlangt hat und über die Bühne hinaus auch im Programm der ARD reüssierte, um dann sogar ins Plattdeutsche übersetzt zu werden und seine Erfolgsgeschichte im legendären Hamburger Ohnsorg-Theater als „De Moorkatenoper“ fortzusetzen. Wobei das Original wie auch die norddeutsche Adaption so gar nichts mit Oper zu tun haben, und auch das neu erfundene Genre des Bluesmusicals auf eine falsche Musikfährte führt: Rock und Soul klingen an, Couplets und Volkslied, Jazz, Swing und Klezmer – und dazwischen immer wieder einmal ein paar Blue Notes.

So nun auch in Mecklenburg, wo Regisseur Dirk Audehm der diesjährigen Schlossfestspiel-Produktion der Fritz-Reuter-Bühne nochmal einen ganz eigenen Slapstick-Touch verpasst hat. Sei es durch den Chor der Hühner auf dem Hof der Familie Niemöller, vor den Kopf knallende Türen in bester Stummfilm-Manier oder historische Anspielungen auf die hier einst herrschenden Herzöge und den letzten SED-Politbüro-Sprecher Günter Schabowski. Vordergründig sorgt dies für Lacher, hintersinnig nimmt es dem Werk den bitteren Witz der Arme-Leut’-Geschichte, mit dem das Publikum in einer Sommerinszenierung nicht unbedingt konfrontiert werden möchte.

Stattdessen also vor allem Unterhaltung und Heiterkeit: angefangen bei den farbenfrohen Kostümen (Christine Jacob), die so gar nichts mit bitterer Armut zu tun haben; über die Political Correctness, die den Landstreicher Schabowski – pardon: Paschinski – zum ehrenwerten Korbflechter und Kesselflicker werden lässt; bis hin zu den von Keyboarder Martin Schelhaas neu arrangierten Stücken der facettenreichen vierköpfigen Band, die für keinerlei Misstöne in puncto Publikumsstimmung sorgen.

So fällt auch nicht weiter auf, dass in dem sechsköpfigen Schauspieler-Ensemble kein verborgenes Gesangstalent schlummert, zumal die Fritz-Reuter-Mimen darstellerisch mit Charaktertypen statt Stereotypen zu überzeugen wissen. Allen voran Ida-Marie Brandt als Bauerstochter Maleen Niemöller, die nicht allein gegenüber ihrem Verehrer, dem Wildhändler Krischan Keeke (herrlich schmierig: Markus Sebastian Wenger), die Hosen anbehält: „Wo nichts gefunkt hat, kann nichts brennen.“ Muss es aber auch nicht, solange die Pointen dieser plattdeutschen Kultstück-Variante zünden.


Musikalische Leitung: Martin Schelhaas • Choreografie: Dirk Audehm, Ida-Marie Brandt, Simon Grundbacher und Christoph Reiche • Bühne: Harry Behlau • Kostüme: Christine Jacob • Mit: Christoph Reiche (Hinnerk Niemöller), Kerstin Westphal (Marthe Niemöller), Ida-Marie Brandt (Maleen Niemöller), Simon Grundbacher (Paschinski), Markus Sebastian Wenger (Krischan Keeke), Lemmi Lembcke (Inspektor Holtkämper)

Aufmacherfoto: Silke Winkler

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