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Spring Awakening – Frühlings Erwachen

Neugier und Ignoranz im späten 19. Jahrhundert

oRT
Theater Trier
von
Steven Sater (Buch)
Duncan Sheik (Musik)
Regie
Manfred Langner
Uraufführung
2006

„Spring Awakening – Frühlings Erwachen“: ein Musical vom Erwachsenwerden

Für die Hauptfiguren in „Frühlings Erwachen“ inspirierte sich der deutsche Schriftsteller Frank Wedekind an einigen seiner Mitschüler. Obwohl das Stück mit dem Untertitel „Eine Kindertragödie“ bereits 1891 erschien, wurde das gesellschaftskritische Drama erst 1906 an den Berliner Kammerspielen uraufgeführt. Die Geschichte von Jugendlichen, die Antworten auf ihre Fragen bezüglich der Sexualität von den Erwachsenen erwarten, aber keine bekommen, hat zeitlosen Charakter, selbst wenn die Aufklärungsmethoden heute liberaler sind als im ausgehenden 19. Jahrhundert. Diese Idee war der Ausgangspunkt des Duos Duncan Sheik (Musik) und Steven Sater (Buch und Gesangstexte) für ihr Musical „Spring Awakening“, das 2006 Off-Broadway uraufgeführt wurde und noch im selben Jahr an den Broadway wechselte. 2007 gewann das Musical acht Tony Awards, u.a. als Bestes Musical und für die Beste Musik.

Den Hintergrund der Bühne im Theater Trier bildet eine riesige Tafel. Hier stehen mathematische und physikalische Formeln – wie Zeichnungen vom menschlichen Körper. Das siebenköpfige Orchester unter der Leitung von Chordirektor Martin Folz wird auf die Bühne hochgefahren.

Wendla (Tamara Theisen) erfährt von ihrer Mutter (Stephanie Theiß), dass sie zum zweiten Mal Tante geworden ist. Nur weiß sie nicht, wie man Kinder bekommt. Die Mutter ist keine große Hilfe und meint lediglich, dass man dafür einen Mann lieben müsse. In der Schule bemüht sich Lehrer Sonnenstich (Giovanni Rupp), seinen Schülern Latein beizubringen. Als Melchior (Marvin Groh) ihm eine andere Theorie über die von Vergil benutzte Grammatik erläutert, wird klar, dass Jugendliche nicht an den zu Traditionen gewordenen Überzeugungen der Lehrerschaft rütteln dürfen, sonst drohen Strafen. Moritz (Florian Voigt) ist ein schlechter Schüler, auch wenn sein bester Freund Melchior ihm bei den Hausaufgaben hilft. Seine größte Angst ist es, nicht versetzt zu werden und so seinen Vater zu enttäuschen. Martha (Laetitia King) und Ilse (Jana Auburger) werden von ihren Vätern geschlagen und sexuell missbraucht. Hänschen (Tim Richter) und Ernst (Michael Berres) lieben einander, müssen dies aber geheim halten. Melchior und Wendla begegnen und verlieben sich – sie wird schwanger. Unter dem Vorwand, Wendla habe Bleichsucht, wird sie zu einer ungewollten Abtreibung gezwungen. Moritz hält sich eine Pistole an den Kopf, nachdem er sitzengeblieben ist. Melchior muss in eine Korrektionsanstalt, auch wenn jedes Wort, das er in seinem fortschrittlichen Denken verfasste, wahr ist. Nichts darf die seit Ewigkeiten geltenden Meinungen der Lehrer und Eltern infrage stellen. Wedekind unterstrich mit der Namensgebung des Lehrpersonals, wie Direktor Knochenbruch oder Fräulein Knüppeldick, die Lächerlichkeit der damaligen Erziehungsmethoden. Am Ende stehen alle vor einem riesigen Scherbenhaufen, den Ignoranz und falsche Aufklärung hinterlassen haben.

Für die Trierer Fassung übernimmt Intendant Manfred Langner die Regie. Er castete hauptsächlich Jugendliche aus dem eigenen Theaterchor und hatte eine glückliche Hand, denn das junge Ensemble spielt, tanzt und singt (letzteres auf Englisch) absolut perfekt. Als Regisseur weiß Langner, was er diesen jungen Talenten abverlangen kann, und lässt ihnen genug eigenen Spielraum, um als Jugendliche, neugierig und auf der Suche nach Antworten, zu überzeugen.

Den falschen Aufklärungsmethoden stehen zarte und deftige Rockrhythmen gegenüber. Sehr gut klingen „And Then There Were None“ und „Totally Fucked“. Somit schließt die zeitlose Geschichte zur Gegenwart auf, denn immer noch darf an verschiedenen Traditionen und Methoden nicht gezweifelt werden.


Musikalische Leitung: Martin Folz • Choreografie: Alina Schaumburg und Selly Meier • Künstlerische Mitarbeit Regie und Coaching: Giovanni Rupp • Bühne: Beate Zoff • Kostüme: Dietmar Teßmann • Lichtdesign: Ernst Schießl • Mit: Marvin Groh (Melchior), Tamara Theisen (Wendla), Florian Voigt (Moritz), Jana Auburger (Ilse), Tim Richter (Hänschen), Laetitia King (Martha), Michael Berres (Ernst), Jakob Thömmes (Georg), Joshua Kliche (Otto), Zarah Moyal (Thea), Aiden Castillo Hornung (Anna), Héloïse Neuberg (Helene), Eline Berlingen (Frieda), Stephanie Theiß und Giovanni Rupp (Erwachsene Rollen)

Aufmacherfoto: Benjamin Westhoff

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