Heidi24 12 | MUSICAL TODAY

Heidi – Das neue Musical

Zeitlos

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Ort
Walensee-Bühne
VON
Patric Scott (Musik & Gesangstexte)
Regie
Stanislav Moša
Uraufführung
2024

Das neue „Heidi“-Musical hält sich eng an Johanna Spyris Welterfolg

2005 wurde erstmals auf der Freilichtbühne vor dem Hintergrund des Walensees und der Churfirsten-Bergkette gespielt. Auf dem Programm stand das Musical „Heidi“ mit Musik von Stephen Keeling. Die zwei dafür adaptierten Weltbestseller von Johanna Spyri („Heidis Lehr- und Wanderjahre“ und „Heidi kann brauchen, was es gelernt hat“) haben zeitlosen Charakter. Die Gegend um den Walensee nennt sich wegen der Romanheldin auch „Heidiland“ und so kommt 20 Jahre später erneut ein Musical zum Stoff auf die Walensee-Bühne. Die Musik komponierte diesmal Patric Scott, der seit 2005 regelmäßig als Schauspieler hier zu sehen ist – 2005 war er der Geissenpeter.

Ein imposanter Holzbau als Bühnenbild (Christoph Weyers) erstreckt sich auf gut 30 Metern vor der gedeckten Zuschauertribüne. Auf der linken Seite stehen drei Häuser mit einem Kirchturm im Hintergrund. Dieser Teil ist drehbar, und auf der anderen Seite befindet sich die Wohnung der Familie Sesemann in Frankfurt. In der Mitte steht nach oben versetzt die Hütte vom Alpöhi. In einem Raum rechts sitzt das Orchester, vor Wind und Regen geschützt.

In der Ouvertüre „Khöscht du d’Glogga“ und dem „Z’Gaissapeter Liad“ ertönen viele Elemente aus der Schweizer Volksmusik, wie gejodelte Passagen. Doch Scott ehrt die Musik seines Heimatlands nur kurz und geht dann in alle Richtungen der modernen Popmusik, mal rockig, mal ruhig, vom Orchester unter Leitung von Gaudens Bieri stilecht interpretiert. Als Nicht-Schweizer muss man sich konzentrieren, um die in der regionalen Mundart gehaltenen Dialoge einigermaßen zu verstehen, was aber möglich ist. Szenen, die in Frankfurt spielen, sind auf Hochdeutsch.

Die Geschichte auf der Bühne ist identisch mit den Romanen. So kommt das Waisenkind Adelheid, genannt Heidi (Kim Fölmli), in Begleitung ihrer Tante Dete (Ronja Katzman) nach Maienfeld, wo ihr Opa, der „Alpöhi“ (Christoph Wettstein), in einer abgelegenen Hütte in den Bergen lebt. Nach anfänglichem Sträuben wird der alte Mann zum liebenden Großvater. Heidis bester Freund ist Geissenpeter (Stephan Luethy), ein junger Ziegenhirte. Die Zeit vergeht und Heidi ist aus dem Alltag vom Alpöhi und Geissenpeter nicht mehr wegzudenken. Als Dete zu Besuch kommt und Heidi mit nach Frankfurt nimmt, wo sie der gelähmten Klara (Jasmin Reif) Gesellschaft leisten soll, reißt die Harmonie zwischen den dreien abrupt ab. In Frankfurt werden die beiden Mädchen schnell beste Freundinnen, und Heidis nette und lustige Art lässt auch Diener Sebastian (Christian Bartels), Angestellte Tinette (Maura Oricchio) und Klaras Großmutter (Isabel Florido) dahinschmelzen. Lediglich die Haushälterin Fräulein Rottenmeier (Pia Lustenberger) will dem Charme des Mädchens nicht erliegen. Doch Heidi hat Heimweh. Erst als Doktor Classen (Thomas Christ) ihren Kummer ernst nimmt, darf sie wieder in die Schweiz zu ihrem Opa zurück.

Beim Hinschauen entsteht der Eindruck, dass man zum x-ten Mal die klassische Geschichte erlebt. Patric Scott hat nicht ein einziges innovatives Element in sein Musical eingebaut. Trotzdem klingt die Musik recht gut, besonders „Die Regeln mache Ich“ (gesungen von Fräulein Rottenmeier und dem Ensemble), „Lesen, Lernen, Träumen“ (mit Patric Scott als Lehrerkandidat, Klara und den Bediensteten), „Wo Khör I Denn Hi?“ (Heidi) und „Sternenhimmel“ (gesungen von Heidi und Klara) setzen sich im Gehör fest. Das ganze Ensemble spielt und singt beherzt. Kim Fölmli überzeugt stimmlich und schauspielerisch als Heidi, ebenso Jasmin Reif als Klara. Die Routiniers der Walensee-Bühne, u.a. Christoph Wettstein, Pia Lustenberger und Patric Scott, sind mit Herz und Seele dabei. Regisseur Stanislav Moša, ein weiterer Stammgast, weiß genau, was er von seiner Truppe will, und das geben sie ihm und den Zuschauern auch.

Schade nur, dass sich niemand getraut hat, einmal an Heidis Geschichte zu rütteln und sie ins 21. Jahrhundert zu verlegen. Das wäre sicher möglich, ohne die universalen Werte des Romans von Liebe, Freundschaft und Familie zu vernachlässigen. Der Versuch hätte gelohnt. Trotz seiner klassisch-konventionellen Form bleibt dieses neue „Heidi“-Musical sehenswert, speziell wegen der Verschmelzung von Musik und schauspielerischem Können.


Musikalische Leitung: Gaudens Bieri • Choreografie: Tihana Strmečki • Bühne: Christoph Weyers • Kostüme: Andrea Kučerová • Licht: David Kachlíř • Tondesign: Andreas Brüll • Mit: Kim Fölmli (Heidi), Stephan Luethy (Peter), Christoph Wettstein (Alpöhi), Jasmin Reif (Klara Sesemann), Thomas Christ (Doktor Classen), Pia Lustenberger (Fräulein Rottenmeier), Nathanael Schaer (Herr Sesemann), Isabel Florido (Großmutter), Patric Scott (Kandidat), Ronja Katzman (Dete), Christian Bartels (Sebastian), Oliver Frischknecht (Pfarrer), Maura Oricchio (Tinette), Daniela Moser (Barbel) u.a.

Aufmacherfoto: Andy Mettler

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