Szenenfoto Maria Theresia VBW Deen van Meer 3 quer | MUSICAL TODAY

Maria Theresia – Das Musical

Reizüberflutung? Oder doch genial?

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Musical Vienna (Vereinigte Bühnen Wien) (Ronacher)
von
Dieter Falk und Paul Falk (Musik)
Thomas Kahry (Buch)
Jonathan Zelter (Liedtexte)
Regie
Alex Balga
UraufführunG
2025

Eine sehr ambitionierte „Maria Theresia“ sorgt für atemlose Momente

Eine Produktion wie ein Feuerwerk ist diese Wiener Weltpremiere von „Maria Theresia“, dem – abgesehen von „Elisabeth“ – wahrscheinlich österreichischsten aller Musicalstoffe. Und im wahrsten Sinne des Vergleichs „fliegen“ einem die Highlights – musikalisch, darstellerisch, optisch, sängerisch und choreografisch – auch nur so um die Ohren! Das geht bis an die Grenze der physischen Aufnahmefähigkeit und hinterlässt an manchen Stellen beim Erstbesucher permanent das flaue Gefühl, etwas Wesentliches zu verpassen – einfach, weil man seine Augen und Ohren nicht überall gleichzeitig haben kann. Ist das jetzt noch ein Qualitätsmerkmal oder schon Reizüberflutung? Man weiß es nicht so genau …

Obwohl sich die ambitionierte Musik des Vater-Sohn-Gespanns Dieter und Paul Falk an vielen Stellen stilistisch mutig und gekonnt zwischen Mozart und Rap bewegt und erwartungsgemäß auch diverse Falco-Anleihen nicht missen lässt, wartet man vergeblich auf „den einen“ Ohrwurm und „die eine“ Ballade, die einen nach Hause begleitet. Mit Maria Theresias Befreiungssong „Stärker als Ihr denkt“ gibt es solche Ansätze durchaus, aber noch bevor man sich emotional mit der Musik verbinden kann, ist sie auch schon wieder vorbei und man nimmt Anlauf auf den nächsten Höhepunkt.

Dieses Stück macht nicht nur die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne atemlos: Größer, höher, mehr gilt für fast alle Bereiche – und irgendwie droht das musikalisch-ambitionierte Fundament insgesamt zu verschwinden hinter dem Eindruck einer spektakulären Bühne, fulminanter Kostüme und aufregendem Lichtdesign (herausragende Arbeit von Morgan Large, Aleksandra Kica und Ben Cracknell). Und weil das noch nicht reicht, ist die choreografische Arbeit von Jonathan Huor ebenfalls so intensiv, dass man vor Begeisterung vergisst, dass es auch eine Handlung gibt, auf die man tunlichst achten sollte.

Das Buch ist insgesamt auch die größte Schwachstelle dieser Produktion. Thomas Kahry erzählt das Leben der österreichischen Monarchin chronologisch und mit Schwerpunkt auf den Schwierigkeiten der Regentschaft als Frau ihrer Zeit. Sichtbar gewollt ist ein diesbezüglicher Hinweis auf die Gegenwart durch Songs wie „Working Mum“ (spritzig vertanzt mit bunten Leuchtröhren-Kinderwägen). Insgesamt wäre generell weniger mehr gewesen, zu viele verschiedene, für sich unterhaltsame Einzelszenen lassen den einen, emotionalen (?) Höhepunkt leider vermissen. Um wirklich „berührt“ zu werden, ist schlicht und ergreifend das Tempo zu hoch und selbst der Musik gelingt es nicht, die Handlung an passenden Stellen einzubremsen. Aber selbst spürbare inhaltliche Durchhänger fallen nicht weiter auf, weil an solchen Stellen der bestechende Ideenreichtum von Regisseur Alex Balga „einspringt“ – und das Augenmerk des geneigten Publikums einem neuen Höhepunkt zuwendet.

Geradezu Hochleistungssport ist dann auch die Titelpartie, Nienke Latten meistert sie mit Bravour. Die dankbarste Männerrolle geht an Moritz Mausser als Friedrich II. von Preußen, dessen effektvolle, ebenfalls schwierige Partie von vielen eindrucksvollen Inszenierungsideen gestützt wird. Trotzdem schafft es vor allem Fabio Diso als Franz Stephan von Lothringen, die Herzen des Publikums zu gewinnen. Ihm gelingt es in all dem Trubel am besten, seiner Rolle eine persönliche Note zu verleihen. Die erfahrene Annemieke van Dam als Madame Fuchs singt und spielt hochprofessionell, Gleiches gilt für Annemarie Lauretta als Kaiserin-Mutter an der Spitze des erstklassigen Solistenensembles.

Das Orchester der Vereinigten Bühnen Wien unter Carsten Paap ist erwartungsgemäß eine „sichere Bank“ – und der Fels in der Brandung, selbst wenn diese Komposition auch für die erfahrenen Profis im Graben kein Spaziergang sein dürfte. „Maria Theresia“ ist kein Musical, das sofort „zündet“. Ein zweiter Blick lohnt aber auf jeden Fall. Ob das jetzt ein Negativkriterium ist, muss der „geneigte Zuseher“ selber entscheiden.


Musical Supervision: Paul Falk und Dieter Falk • Musikalische Leitung: Carsten Paap • Regie: Alex Balga • Choreografie: Jonathan Huor • Bühne und Videodesign: Morgan Large • Kostüme und Maske: Aleksandra Kica • Licht: Ben Cracknell • Sounddesign: Carsten Kümmel • Mit: Nienke Latten (Maria Theresia), Fabio Diso (Stephan von Lothringen), Moritz Mausser (Friedrich II. von Preußen), Annemieke van Dam (Madame Fuchs), Annemarie Lauretta (Kaiserin Elisabeth Christine), Dominik Hees (Kaiser Karl VI./Michael Gabriel Fredersdorff), Andreas Wolfram (Kanzler Bartenstein), Aeneas Hollweg (Joseph), Amelie Polak (Marie Christine) u.a. • Orchester der Vereinigten Bühnen Wien

Aufmacherfoto: VBW/Deen van Meer

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