„Saturday Night Fever“ kämpft mit seiner verstaubten Geschichte
Das 1986 im Wuppertaler Vorort Cronenberg gegründete TiC-Theater hat sich mittlerweile zu einer Talent-Schmiede entwickelt, in der z.B. der beliebte TV-Schauspieler Christoph Maria Herbst und Musical-Star Patrick Stanke ihre ersten Bühnenerfahrungen sammelten. Für „Saturday Night Fever“ hat sich Intendant Ralf Budde jetzt selbst in den Regiestuhl begeben. Die Musicalfassung des gleichnamigen Kultfilms mit John Travolta aus dem Jahre 1977 wurde 1998 im Londoner West End uraufgeführt, die deutsche Erstaufführung folgte bereits 1999 im Kölner Musical Dome – noch vor der Broadway-Premiere im selben Jahr. Das war damals ein Novum in der Musicalgeschichte und wurde vom deutschen Publikum mit über einer Million Zuschauer belohnt.
Inzwischen ist das Stück mit seinem kaum hinterfragten Macho-Chauvinismus und seinem sexistischen Frauenbild allerdings etwas in die Jahre gekommen. Nur die vom Musikalischen Leiter Stefan Hüfner fetzig arrangierten Disco-Songs der Bee Gees retten es letztlich über die Runden – obwohl viele Songs überhaupt nichts mit der Handlung zu tun haben. Und die ist wie gesagt ziemlich dünn: Der Italo-Amerikaner Tony Manero arbeitet in Foscos Farbenladen im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Seinem wenig einträglichem Job und tristen Alltag entflieht er jeden Samstagabend, wenn er in der Disco „2001 Odyssey“ auf der Tanzfläche seinen Träumen von einem besseren Leben nachgehen kann: raus aus Brooklyn, weg aus der beengten Wohnsituation mit Mutter und Schwester. In einem Tanzwettbewerb sieht er seine Chance. Doch als er seine bisherige, in ihn verknallte Tanzpartnerin Annette gegen die sich unnahbar gebende Stephanie, die den Sprung ins angesagte Manhattan schon geschafft hat, austauscht, ergeben sich neue Probleme. Auch seine Freunde Double J und Bobby C haben ihre Probleme, hauptsächlich mit Frauen und rivalisierenden Straßengangs anderer Ethnien: Double J vergewaltigt Annette, die sich wegen Tonys „Untreue“ betrunken hat, und Bobby C stürzt sich von einer Brücke, weil er seine Freundin geschwängert hat und Tony ihn mit seinen Sorgen allein lässt.
Die Vergewaltigungsszene „verpufft“ im wahrsten Sinne des Wortes mitten im Zuschauerraum, der Selbstmord findet dezent im Bühnenhintergrund statt. Einer Bühne, der Jan Bauerdick und Frank Fischer mit einfachsten Mittel wie verschiebbaren, bemalten Wänden und durchscheinenden Vorhängen die zur jeweiligen Szene stimmige Atmosphäre einhauchen. Die Rolle von Tonys Bruder, einem abtrünnigen Priester, hat Budde ganz gestrichen. Das gibt der ohnehin zähen Geschichte etwas mehr Schwung. Genauso wie seine Entscheidung, die ursprüngliche Rolle des DJ Monty von einer Frau verkörpern zu lassen: Liesa Solbach als Gloria führt mit ihrer röhrigen Gesangsstimme auch gleichzeitig als eine Art Moderatorin durch das Stück.
An der (Libretto-bedingten) fehlenden psychologischen Tiefe der Figuren beißt sich Buddes Inszenierung allerdings die Zähne aus, was bisweilen auch sein neunköpfiges, semiprofessionelles Ensemble etwas verloren wirken lässt. Von Maya Fichtel und Noëlle Wörheide in stilechte 70er-Jahre-Kostüme gesteckt, versuchen sie – teilweise in mehreren Rollen –, mit Spielfreude gegen die Oberflächlichkeit des Stücks anzukämpfen. Und wenn es in die Disco geht und ihnen Laura Trompetters flotte Choreografien in die Glieder fahren, dann läuft vor allem Maximilian Leuchter im Travolta-Outfit zu gesanglichen und tänzerischen Höchstleistungen auf, denen Leonie Hackländer (Stephanie) und Lucy Martens (Annette) nicht immer folgen können. Das Publikum nimmt die nostalgische Stimmung begeistert auf und würde am liebsten mittanzen.
Musikalische Leitung: Stefan Hüfner • Choreografie: Laura Trompetter • Bühne: Jan Bauerdick und Frank Fischer • Kostüme: Maya Fichtel und Noëlle Wörheide • Mit: Maximilian Leuchter (Tony Manero), Leonie Hackländer (Stephanie Mangano), Dennis Gottschalk (Bobby C), Lucy Martens (Annette), Liesa Solbach (Gloria/Kellnerin), Alexander Klein (Double J), Vassilis Sachinidis (Fosco/Pablo/Jay), Kim Brinkhoff (Tonys Mutter/Kundin/Disco-Gast), Livia Caruso (Linda/Connie)
Aufmacherfoto: Martin Mazur