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Grand Finale

Endlich ein Bestatter-Musical

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Theater Basel
von
Christoph Israel (Musik)
Philipp Stölzl (Idee und Story)
Jan Dvořák (Buch und Liedtexte)
Regie
Philipp Stölzl
Uraufführung
2025

Musical meets Regietheater: „Grand Finale“ macht großen Spaß

Die abgehalfterte Diva Eliza Castafiore müht sich auf die Bühne des Stadttheaters, angeschickert stürzt sie inmitten von Federfächern die steile Revue-Treppe hinunter – und direkt in den Orchestergraben. „Grand Finale“ beginnt mit einem tollen Stunt, den nicht alle Zuschauer als solchen erkennen, und ähnlich makaber geht es weiter.

Die Basler Uraufführung von Philipp Stölzl, Christoph Israel und Jan Dvořák ist eine überraschende Mischung aus Groteske und feiner Melancholie, aus wehmütigen Chansons und Revuenummern im Heinz-Schenk-Stil, aus Satire auf den Theaterbetrieb und Politikern, die ihn hassen. Das Thema des Stücks ist der Tod: Wer stirbt, landet in einem Zwischenreich, um die Dinge zu erledigen, die auf Erden nicht zu Ende gebracht wurden. Ganz real sitzen die verschleierten Geister im Bestattungshaus „Little Shop of Sorrow“ auf den Bahren, Eliza wird mit einem trefflichen „Auch gestorben?“ begrüßt.

Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist Bestatter Giulio, ein feiner, stiller Mensch kurz vor der Insolvenz, der plötzlich die Stimmen der Toten hören kann. Eliza nervt ihn wegen einer Abschiedsgala im Theater, der überfahrene Deniz möchte seine Tochter noch kennenlernen, die nichts von ihm weiß. An den Wänden stapeln sich die Särge, zwei Drehbühnen verwandeln im detailversessenen Bühnenbild des Regisseurs ständig die Schauplätze. Subtil und mit einem flüssig-leichten Charme setzt er Jan Dvořáks Buch voll schräger Pointen in Szene, der Unterschied eines echten Schauspieler-Musicals zu den aufgesagten Dialogen mancher Tournee- oder Long-Run-Produktion wird evident. Die anfangs absurden Gespräche mit den Toten münden im Eingestehen von Versagen und in Liebeserklärungen. Bestatter-Lehrling Philippe, der lieber Verbrecher wäre, wird erfolgreich resozialisiert und findet die Liebe, Deniz spricht endlich mit seiner Tochter. Die tote Diva bekommt ihre glitzernde Abschiedsgala mit Elefanten und dem Taj Mahal (worauf sich hier „scheißegal“ reimt).

Regisseur und Stück-Erfinder Stölzl (der u.a. „Ich war noch niemals in New York“ verfilmte) erweist sich als mitunter brillanter Komiker, etwa mit einer Dagobert-Duck-Urne, einem Polizeieinsatz wie bei Gilbert & Sullivan, Philippes Stepptanz auf dem Sarg, einer eloquent quäkenden Trompete als Gesprächspartner bei Telefonaten oder einem Bankräuber als rettendem Deus ex machina, der seine Millionenbeute in Elizas Sarg versteckt und sich als Untoter umgehend an sie ranschmeißt.

Der Musik von Christoph Israel hört man seine Zusammenarbeit mit Max Raabe und die Chansonabende mit großen Schauspielern an – viele Lieder beginnen im Diseusenstil und wachsen sich dann zu Couplets oder flotten Takten aus, die Revuenummern klingen hübsch nostalgisch. Es gibt ein Liebeslied ans Theater, ein hauchzartes „Lebet wohl“ für den todesmüden Bestatter, einen erotischen Tango und einen Ausflug zu Brecht/Weill, immer wieder wehen Melancholie und ein Hauch Resignation durch die schön arrangierte Musik, die Thomas Wise dirigiert.

Elissa Huber lässt als egozentrische Zicke erahnen, warum so viele früher in diesen Revuestar verliebt waren. Pasquale Aleardi zögert als besorgter türkischer Vater, charmiert als lüsterner Bankräuber und mutiert zum eleganten Gottvater, der Eliza im Showbiz-Himmel mit einem Cocktail begrüßt. Der junge Camillo Guthmann knetet als Lehrling die Hand eines Toten zu immer neuen Emojis, bevor er erstaunt Fürsorge unter seinem Halbstarken-Äußeren entdeckt, Klaus Brömmelmeier besticht als überkorrekter Gerichtsvollzieher und gehässiger AfD-Bürgermeister. Großartig ist Carina Braunschmidt als zynische Theaterintendantin, die in besoffenem Kummer einen Werbespot für die Staubsaugerfirma inszeniert, an die ihr Theater verkauft werden soll. Wie ein Shakespeare’scher Narr lenkt der wunderbare Stefan Kurt als Giulio die Ereignisse: ein wenig unbeholfen, weise und mit unendlichem Verständnis für das irre Treiben der Menschen und der Geister.


Musikalische Leitung: Thomas Wise • Regie und Bühne: Philipp Stölzl • Mitarbeit Bühne: Franziska Harm • Kostüme: Kathi Maurer • Licht: Cornelius Hunziker • Sounddesign: Jan Fitschen, Robert Hermann und Janik Pokorny • Chorleitung: Michael Clark • Mit: Elissa Huber (Eliza Castafiore), Stefan Kurt (Giulio Huttner), Camillo Guthmann (Philippe Durant), Pasquale Aleardi (Deniz Bünyamin/Ronald Bigs), Yasmin Yüksel (Luna), Klaus Brömmelmeier (Gerichtsvollzieher/Bürgermeister/Nervenarzt), Carina Braunschmidt (Intendantin), Sonja Koppelhuber (Lunas Mutter), Vivian Zatta (Einsatzleiter/Lunas Vater) u.a. • Chor und Statisterie des Theaters Basel • Jazzorchester „Grand Finale“ • Leonid Maximov Trio

Aufmacherfoto: Ingo Höhn

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