Ab sofort auch am Kiosk erhältlich. Ausgewählte Verkaufsstellen findet ihr HIER.
ADAM SCHAF HAT ANGST 5 | MUSICAL TODAY

Adam Schaf hat Angst

Polit-Gepolter in der Garderobe

qi addons for elementor placeholder | MUSICAL TODAY
oRT
Theater im Palais
von
Georg Kreisler (Musik, Buch und Liedtexte)
Regie
Dennis Weissert
Uraufführung
2002

Georg Kreislers Ein-Mann-Musical „Adam Schaf hat Angst“

Endlich mal richtig die Meinung sagen, aufgestautem Frust ordentlich Luft machen – das will der alternde Mime und schwadroniert drauf los. Er liebt die große Bühne, aber das Schicksal wollte es anders. So wartet er auf seinen schmalen Auftritt in einem piefigen Theater, schwelgt in bleichen Erinnerungen und schimpft Zeter und Mordio zwischen muffigen Kostümen, bevorzugt über Politik. Leider ohne Resonanz, niemand hört ihm zu. Ein tragisches Subjekt, wie geschaffen für Georg Kreisler, der aus solchen Figuren messerscharfe Reflexionen über den Zustand der Welt nach 1945 entwickelte. „Adam Schaf hat Angst“ heißt eines seiner tiefsinnigen und trotzdem vergnüglichen Kammermusicals. Das Berliner Theater im Palais zeigt es aktuell zur Freude des begeisterten Publikums.

Vergrätzt reagierte Kreisler seinerzeit auf die Uraufführung im Berliner Ensemble. Die strich er prompt aus dem Verzeichnis und bilanziert die vier Jahre später entstandene Hamburger Produktion als wahre Feuertaufe. In beiden Inszenierungen übernahm Tim Fischer die Rolle des griesgrämigen Schauspielers. Das Theater im Palais engagierte Musical-Fachmann Dennis Weissert als Solo-Akteur und Regisseur in Personalunion. Was oft nicht recht überzeugt, klappt in diesem Fall sehr überzeugend, ohne jeden Abstrich. Er durchdringt die Figur mit analytischem Gespür, lotet die wechselnden Gefühlslagen exzellent aus, vergräbt sich in Reminiszenzen und Hoffnungen. Der ersehnte Glamour entpuppt sich als schale Illusion.

Kreisler schrieb das Stück mit fast 80 Jahren. Es mischt autobiografische Aspekte mit dem generellen Frust über die Nachkriegszeit, die für den Autor lange keineswegs rosig aussah. Der jüdische Emigrant kam nach 1945 zwar mit US-amerikanischem Pass nach Europa zurück, registrierte aber in seiner früheren Heimat Österreich weit mehr Verdrängung und Revanchismus als konsequente Aufarbeitung der Nazi-Geschichte. Prägend ist dabei die Angst, die sich sehr bewusst in den Titel seines Musicals schlich, vor Politik, Kirche, den Wirtschaftsbossen, Menschen allgemein. Der Kabarettist, Chansonier, Autor und Komponist eckte mit seinen zynischen, zartbitteren Texten immer wieder an, obwohl er durchaus eine breite Zuhörerschaft gewinnen konnte.

„Adam Schaf hat Angst“ durchläuft die Stationen zwischen Resignation und Optimismus, Rückblick und unmittelbarer Gegenwartsperspektive, ohne zu hasten oder um Effekte zu buhlen. In seiner Garderobe strampelt sich Adam aufgestaute, kaum bearbeitete Erfahrungen von der Seele, schlüpft in Rollen und zerbröselte Visionen einer Karriere, die in der Provinz strandete. Dennis Weissert singt und spielt das alles mit wahrer Inbrunst und großer Empfindsamkeit, subtil, anrührend, authentisch: eine grandiose Leistung. Als Regisseur führt er sich durch den komplexen Parcours mit stupender Perfektion. Das Lichtdesign von Lucas Müller und Lorenz Reimann suggeriert wechselnde Schauplätze, die Ausstattung (Laura Jammoul/Sophia Daffner) öffnet den Raum zwischen Realität und Fiktion.

Vom Klavier aus greift Bijan Azadian geschickt in das Geschehen ein. Kreislers wunderbare, intelligente Chansons wie „Freiheit“, „Gelsenkirchen“ und „Staatsbeamte“ sorgen für doppelten Boden, illustrieren, kommentieren, schaffen Fallhöhe, um aus dem Musical ein substanzielles Werk zu generieren. Eine formidable Leistung, die hoffentlich lange auf dem Spielplan bleibt.


Musikalische Leitung und Piano: Bijan Azadian • Ausstattung: Laura Jammoul und Sophia Daffner • Lichtdesign: Lucas Müller und Lorenz Reimann • Sounddesign: Lucas Müller • Mit: Dennis Weissert (Adam Schaf)

Aufmacherfoto: Ildiko Bognar

Spielorte

Archiv