Die Hits von „Take That“ zwischen Tiefgang und Unterhaltung
Für die Neuinszenierung und Schweizer Erstaufführung von „Greatest Days“ mit Songs von „Take That“ haben die Le-Théâtre-Granden Irène Straub und Andréas Härry das Stück mit Lokalkolorit versehen und die Dialoge ins Schweizerdeutsche übersetzt. In der Geschichte rund um Idolisierung, Verlustbewältigung und die Kraft der Freundschaft verwebt das Regieduo Carlotta Jarchow und Silvio Wey süffige Unterhaltung und tragische Momente aufs Feinste. Schnell wird klar, dass der Stoff perfekt auf die Stärken des Ensembles zugeschnitten ist.
Ein besonders glückliches Händchen beweist das Produktionsteam bei der Besetzung. Neben Irène Straub als Zoe (immer ein sicherer Wert im Le Théâtre) konnte die Schweizer Musicalgröße Isabelle Flachsmann für die Rolle der Rahel gewonnen werden. Beide Damen machen ihre Sache wirklich hervorragend. An ihrer Seite besticht Rahel Fischer als Helen mit wunderschöner Stimme, viel Glamour und Ausstrahlung. Justyna Karpinski komplettiert das Quartett als liebenswerte und burschikose Claire.
Sehr gelungen ist auch die jugendliche Besetzung der vier (bzw. fünf) weiblichen Schlüsselfiguren: Anfangs wirkt ihr Spiel noch etwas hektisch und die Diktion leidet etwas, wohl der Nervosität geschuldet. Doch im Laufe des Stückes finden sie immer besser in ihre Rollen und gewinnen an Sicherheit. Stimmlich brillieren Sina Keller (junge Claire), Nina Duss (junge Helen) und ganz besonders Nadine Rudin in der Rolle der Debbie.
Die weiblichen Rollen tragen das Stück und fungieren als Erzählerinnen. Sie sind gesanglich und schauspielerisch gefordert und meistern diese Aufgabe hervorragend. Die Männerrollen (außerhalb der Boyband) sind in diesem Stück notwendiges Beiwerk und werden schauspielerisch von einem einzigen Darsteller mit Leben gefüllt: Stephan Bürgi. Ob als Ehemann, Bus-Chauffeur, Steward, Polizist oder Roadie, er verkörpert alle Rollen dank seiner Wandlungsfähigkeit äußerst authentisch, verleiht jedem Charakter seine besondere Note und sorgt immer wieder für ein Schmunzeln.
Quasi als „lebende Requisite“ legt die Boygroup den Klangteppich aus, der das Stück musikalisch zusammenschweißt. Die fünf Jungs (Daniel Jacks, Curtis Holder, Agustin Espinosa, Craig Webb und Nathan Tofts als „Take That“) zeigen eine beachtliche tänzerische, gesangliche und vor allem sportliche Leistung: Sie sind fast pausenlos auf der Bühne im Einsatz. Dass sie gesanglich nicht ganz ans Original heranreichen, tut der Gesamtleistung und der Wirkung des Stücks keinen Abbruch.
Die vielen schnellen Outfit-Wechsel der Jungs sorgen für ein buntes Defilee, bei dem Kostümbildner Giuliano Salvatore aus dem Vollen schöpfen kann. Von wallenden Mänteln über Anzüge in allen Regenbogenfarben bis hin zu Netzhemden und G-Strings wird nichts ausgelassen. Bei den Damen werden die Kostüme gezielt eingesetzt, um das jugendliche Quintett vom reiferen Quartett abzugrenzen. Hin und wieder werden liebevolle Akzente gesetzt, wie z.B. Rahels rosa Pantoffeln in altersgerechter Ausführung.
Eleonora Zweifels Choreografien sind humorvoll auf die Situationen und perfekt auf die Fähigkeiten der Darstellenden abgestimmt: ein Meisterstück, das in bester Erinnerung bleibt. Das Bühnenbild von Philippe Stutz ist gewohnt schlicht, aber – wie immer in den letzten Jahren – sehr variabel und einfallsreich. Originelle Beleuchtungsgestelle auf Rollen werden von den Schauspielerinnen und Schauspielern, die gerade nicht im Rampenlicht stehen, zum Einsatzort gefahren. Alle packen mit an: gelebtes Teamwork pur. Tourneekoffer sind neben einem mehrteiligen Treppengerüst die einzigen Requisiten.
Insgesamt bietet das Stück eine gelungene Mischung aus Tiefgang und leichter Unterhaltung. Anspruchsvolle Szenen, bei denen kein Auge trocken bleibt, alternieren mit Konzert-Atmosphäre inklusive kreischenden Groupies. Auch wenn man kein „Take That“-Fan ist, schafft es die Band um Frontmann Arno Renggli einmal mehr, jede(n) musikalisch mitzureißen, bis die letzte Note verklungen ist.
Musikalische Leitung Band: Arno Renggli • Choreografie: Eleonora Zweifel • Kostüme: Giuliano Salvatore • Leitung Gesang und Chor: Irène Straub • Dance Captains: Nathan Tofts und Agustin Espinosa • Bühnenbild: Philippe Stutz • Lichtdesign: Markus Güdel • Tondesign: Tobias Stritt • Mit: Isabelle Flachsmann (Rahel), Irène Straub (Zoe), Rahel Fischer (Helen), Justyna Karpinski (Claire), Stephan Bürgi (Dave u.a.), Debora Lüscher (Junge Rahel), Ladina Rupp (Junge Zoe), Nina Duss (Junge Helen), Sina Keller (Junge Claire), Nadine Rudin (Debbie), Daniel Jacks (Boygroup), Curtis Holder (Boygroup), Agustin Espinosa (Boygroup/Dance Captain), Craig Webb (Boygroup), Nathan Tofts (Boygroup)
Aufmacherfoto: Ingo Höhn