+++ OUT NOW +++ OUT NOW +++ OUT NOW +++ OUT NOW +++ OUT NOW +++
12111 kiss me kate k6746 foto sandra then | MUSICAL TODAY

Kiss Me, Kate

Mit doppeltem Boden

qi addons for elementor placeholder | MUSICAL TODAY
Venue
Deutsches Nationaltheater Weimar
by
Cole Porter (Musik und Liedtexte)
Sam und Bella Spewack (Buch)
Susanne Wolf (Deutsche Fassung)
Direction
André Kaczmarczyk
UraufführunG
1948

„Kiss Me, Kate“ grandios inszeniert

Im wahren Fernseh-Leben agiert André Kaczmarczyk als androgyner Kommissar an der Oder, ist daneben geschätzter Bühnenschauspieler, seit einiger Zeit auch Regisseur, verantwortlich zum Beispiel für die erfolgreiche Düsseldorfer „Cabaret“-Inszenierung. Nun wagt er sich ein zweites Mal ans Musical, konkret „Kiss Me, Kate“ am Deutschen Nationaltheater Weimar – und kassiert einen wahren Jubelorkan. Kurzum: Er hat schlicht alles richtig gemacht, den Klassiker von Cole Porter (Musik und Liedtexte) sowie den Buchautoren Samuel und Bella Spewack geschickt entstaubt, fulminant prallste Show-Elemente hineingewirbelt und außerdem mit Finesse ein paar politische Gegenwarts-Akzente platziert. Mehr Unterhaltung im opulenten Großformat und trotzdem mit sanftem Tiefgang geht vermutlich nicht. Das Ensemble schmeißt sich lustvoll in die kratzbürstig-deftige Rosenkrieg-Geschichte um Lilli und Fred, die auf Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ basiert.

Über drei Stunden dauert dieses bestlaunige, knallbunte Feuerwerk aus fast pausenlos hyperventilierender Bewegung (Choreografie: Louis Stiens), schrillen Kostümen (Martina Lebert), grellen Farben, kreischenden Beziehungscrashs und den superben Evergreens von Cole Porter, die keine Spur von Patina angesetzt haben – zum Beispiel „Premierenfieber“ (hier als „Der erste Abend“ umgedichtet), „Wunderbar“ oder „Treu bin ich nur Dir“. Ganoven poltern in Samt und Leder durch den Plot, viele Fetischklamotten sorgen für optische Reize, etwa trashiges Plüschtier-Outfit oder der kreischrote Mantel des republikanischen Promi-Politikers Harrison Howell. Ansgar Prüwer setzt die Drehbühne und Prospekthydraulik unter Dauerstrom: prächtigster Augenschmaus.

Susanne Wolf schrieb mit satirischem Impetus eigens für die Produktion eine neue Textfassung, die Pointen schärft, Ironie einstreut und sich nie vor schrägen Formulierungen im Reimformat scheut. Daraus schmiedet André Kaczmarczyk ein famos funkelndes, divers orientiertes Panoptikum, das deftig-dralle Momente ebenso zulässt wie giftige Anmerkungen zur US-amerikanischen Politrealität, und das auch manche Seitenhiebe zu Theater im Allgemeinen oder dem Zeitgeist offeriert. Entsprechend kommt seine „Kiss Me, Kate“-Inszenierung schon im ersten Song auf volle Touren.

Alles scheint auf den Beinen, was das Nationaltheater an Personal aufzubieten hat. Der gesamte Apparat gönnt sich keine Atempause, um die Geschichte mit Verve, skurrilen Momenten und privaten Querelen, dreisten Ganoven und erotisch enthemmten Damen im Galopp-Tempo zu halten, immer wieder mit Shakespeare garniert und mit knalligem Showbiz üppig bepfeffert. Höchst beachtlich, wie sich jedes Detail nahtlos in die Handlung fügt; im Fokus bleibt indes das Duell zwischen den beiden Hauptfiguren. Mit Fingerspitzengefühl pendelt der Regisseur zwischen Backstage und On Stage, Verona und Baltimore. Von der Besetzung sind zuvorderst Dascha Trautwein als hinreißende Lilli und Krunoslaw Šebrek als verpeilt-eitler Fred zu nennen, flankiert von den beiden total überdrehten Trottoir-Banditen Fabian Hagen und Jörn Eichler mit klarem Hang zur Kunst, sowie Sarah Mehnert als lasziver Lois und dem Testosteron-gesteuerten, dem Alkohol und Spiel verfallenen Bill von Calvin-Noel Auer.

Dirigent Johannes Bettac kitzelt mit der Staatskapelle sämtliche Nuancen aus Porters satter Partitur hervor, vom luftigen Swing bis zum knackigen Jazz; zwischendurch dürfen es auch mal etwas leisere Töne sein. Die brillanten Songs sprühen vor Esprit und süffigem Ton, sind geradezu sensationell aufbereitet – ein wahres Vergnügen. Kaczmarczyks „Kiss Me, Kate“ hebt den Klassiker lustvoll in die Gegenwart, glänzt durch genüsslichen Wortwitz und überraschende Einfälle, gipfelnd in der choreografisch mächtig durchpulsten „Viel zu heiß“-Nummer. Das bis dato eher weniger Musical-affine Nationaltheater spaziert mit dieser famosen Inszenierung schnurstracks auf den Zenit. Und das Publikum bedankt sich bei den Beteiligten mit langen Ovationen.


Musikalische Leitung: Johannes Bettac • Regie: André Kaczmarczyk • Choreografie: Louis Stiens • Bühne: Ansgar Prüwer • Kostüme: Martina Lebert • Licht: Jörg Hammerschmidt • Choreinstudierung: Laura Brannath • Mit: Dascha Trautwein (Lilli Vanessi/Katharina), Krunoslaw Šebrek (Fred Graham/Petruchio), Sarah Mehnert (Lois Lane/Bianca), Calvin-Noel Auer (Bill Calhoun/Lucentio), Fabian Hagen (Erster Ganove), Jörn Eichler (Zweiter Ganove), Sebastian Kowski (Harrison Howell), Henrik Mrochen (Gremio/Gregory), Caleb Felder (Hortensio/Nathaniel), Laurie Gibson (Harry Travour/Baptista), Susann Günther (Hattie), Oliver Luhn (Ralph) u.a. • Opernchor und Statisterie des DNT •  Staatskapelle Weimar

Aufmacherfoto: Sandra Then

Spielorte

Archive