
Die deutschsprachige Erstaufführung von „Charlie und die Schokoladenfabrik“ ist knallbunt und bildmächtig
„Rettet die Erde“, verlautet ein beliebter Spruch, „es ist der einzige Planet, wo es Schokolade gibt!“ Klimaschützer, die diesen reichlich beliebigen Gag auf ihre Agenda anwenden, würden sich von „Charlie und die Schokoladenfabrik“ ebenso bezaubern lassen wie andere Besucher. In Regensburg erlebt das von Marc Shaiman und Scott Wittman nach Roald Dahls Kinderbuch-Klassiker verfasste Musical seine umjubelte deutschsprachige Erstaufführung.
Mit der Inszenierung von Ulrich Wiggers setzt das Oberpfälzer Theater den Reigen an Erstaufführungen fort, für die es bereits mehrfach mit Preisen im Fach Musical ausgezeichnet worden ist. Die Geschichte vom armen, aber neugierigen und fantasiebegabten Schuljungen Charlie Bucket, der zum Nachfolger des Chocolatiers und Fabrikbesitzers Willy Wonka aufsteigt, ist ein knallbuntes, märchenhaftes Erlebnis mit überzeugenden Stimmen. Musikalisch eindrucksvoll in Szene gesetzt wird es von Dirigentin Lucia Birzer. Die leitmotivisch Figurengruppen zugeordneten Themen der Partitur umspannen swingende Bigband-Sounds, soulige und Disco-Parts bis hin zu folkloristisch anmutenden Klängen bayerischer Provenienz. Birzer schafft damit schwungvoll einen stimmungsvollen Raum, in dem sich das Bühnengeschehen optimal entfalten kann.
Das großflächige Bühnenbild, eine gigantische Schokoladentafel, mutiert mittels Hebebühne zur zugigen Holzhütte, Charlies Zuhause, und zum verführerischen Süßigkeiten-Shop. Hier träumt der Junge von süßen Kreationen und einem Besuch in der seit Jahren geschlossenen Fabrik, in der einst sein Großvater Joe beschäftigt war und die seltsamerweise immer noch massenweise Schokolade ausspuckt.
Mit in Tafeln versteckten, goldenen Tickets lockt der alternde Wonka fünf Gewinner-Kinder in sein geheimnisvolles Fantasiereich aus unendlich Süßkram, mächtigen Maschinen und schwerer Arbeit. Ausgeführt wird diese von putzigen Eichhörnchen und den roboterhaften Umpa Lumpas. Bis auf Charlie sind die psychisch und sozial auffälligen Kinder mitsamt ihren miesen elterlichen Vorbildern heillos bis zur Karikatur überzeichnet. Ob der verfressene bayerische Sohn Augustus Gier eher zufällig an den dauernd Würste verzehrenden bayerischen Ministerpräsidenten erinnert, bleibt das Geheimnis des Regisseurs. Assoziationen an gesellschaftliche Klischees stellen sich aber auch bei der gierigen russischen Balletttänzerin Veruca Snob, der selbstsüchtigen Violet Beauregarde und dem aufgeblasenen Technikfreak Mike Glotzer ein.
Allesamt werden sie im zunehmend düsteren zweiten Teil bei der Führung durch Wonkas Fabrik aus dem Weg geschafft, fallen ihren Lastern zum Opfer. Ausgenommen natürlich Charlie – der wird schließlich Erbe und Nachfolger des in Visionen schwelgenden Eigentümers. Dessen eigentlich kaltblütig-gruseliges Verhalten den Kindern gegenüber wird durch die fantasievollen Kostüme und Spiele grotesk überlagert. Wortwitz und kleine versteckte Sprachspiele verpassen der optisch manchmal fast überbordenden und bis in die Nebenrollen hervorragend besetzten Inszenierung intellektuellen Esprit.
Stimmlich überzeugen Chor und Solisten, allen voran der mitreißende Alejandro Nicolás Firlei Fernández. Mit der vollen Breite und Tiefe seines spielerischen und gesanglichen Könnens gibt er Willy Wonka eine machtvolle Kontur und lässt den lebhaften Felix Rabas als Charlie gelegentlich ein wenig blass erscheinen. Ein bildmächtiges Erlebnis, das unweigerlich hineinzieht und erst mit dem aufbrausenden Beifall langsam wieder aus seinem Bann entlässt.
Musikalische Leitung: Lucia Birzer • Regie: Ulrich Wiggers • Choreografie: Yvonne Braschke • Ausstattung: Kristopher Kempf • Licht: Ulrich Wiggers und Maximilian Spielvogel • Choreinstudierung: Lucia Birzer • Mit: Alejandro Nicolás Firlei Fernández (Willy Wonka), Felix Rabas (Charlie Bucket), Tom Zahner (Grandpa Joe), Maria Mucha (Frau Bucket), Andrea Dohnicht-Pruditsch (Grandma Josephine), Christiana Wimber (Grandma Georgina), David Holz (Grandpa George), Esther Baar (Frau Gier), Vincent Treftz (Augustus Gier), Konstantin Igl (Herr Snob), Monika Schweighofer (Veruca Snob), Jakob Hoffmann (Herr Beauregarde), Friederike Bauer (Violet Beauregarde), Christian Rosprim (Mike Glotzer), Fabiana Locke (Frau Glotzer), Beata Martí Fernández Paixà (Frau Grün), Maria Magdalena Fleck (Cherry), Malte Flierenbaum (Jerry) u.a. • Opernchor des Theaters Regensburg und Cantemus Chor • Philharmonisches Orchester Regensburg
Aufmacherfoto: Marie Liebig




