
„Die acht Frauen“ nach dem Film von François Ozon
Ein Musical ist diese „Kriminalkomödie mit Musik“ eigentlich nicht. Nur weil der Regisseur zehn Songs eingestreut hat, die nicht zusammenpassen und deren Bezug zur Handlung oft an den Haaren herbeigezogen scheint? Das Stück beruht auf dem charmant-nostalgischen, starbesetzten Film „8 Frauen“ aus dem Jahr 2002, Regisseur François Ozon adaptierte damals ein altes, fast vergessenes Bühnenstück von Robert Thomas. Die Handlung spielt zu Zeiten, als man noch mit Francs zahlte: Es ist Weihnachten, die Familie trifft ein, das Personal ist mit der Bewirtung der Gäste beschäftigt. Alles Treiben kreist um den noch schlafenden Hausherrn Marcel, der, als er dann endlich geweckt werden soll, mit einem Messer im Rücken im Bett liegt.
Agatha Christie lässt grüßen, denn jemand hat die Verbindungen zur verschneiten Außenwelt gekappt: Das Telefon ist tot, das Tor verschlossen, die Hunde vergiftet. Also müssen die acht Frauen – Marcels Frau und seine zwei Töchter, seine Schwester, die Schwiegermutter, die Schwägerin, die Köchin mit Familienanschluss und das neue, darob hochverdächtige Hausmädchen – nun alleine herausfinden, wer von ihnen den Patriarchen gekillt hat.
Es folgen jede Menge Enthüllungen: Fast alle Frauen hatten Marcel in der Nacht mit diversen Anliegen aufgesucht, der Notar sollte heute kommen, die Gattin sitzt auf gepackten Koffern. Drei der Damen sind dem Spiel verfallen, Medikamente verschwinden, eine Pistole taucht auf. Das Misstrauen wächst mit den gegenseitigen Beleidigungen, jede Tasse Kaffee könnte vergiftet sein, die Oma wird mit einem Schlag auf den Kopf „beruhigt“. Auf jede Entdeckung reagiert die Damenschar mit einem kollektiven, lauten Lufteinziehen, aber zu dieser Art locker-parodistischen Humors findet Regisseur Frank-Lorenz Engel leider erst spät – wenn sich etwa im Bühnenbild Türchen wie im Adventskalender öffnen und die Damen dort ein „Shoop Shoop“ zu einem weiteren deplatzierten Song flöten, gewinnt der Abend eine erfrischende Absurdität.
Bereits im Film hatten alle acht Schauspiel-Ikonen einen musikalischen Auftritt, dort sangen sie französische Chansons. In der Bühnenversion sind die Songs offensichtlich frei wählbar, in Stuttgart hören wir einen staunenswert unzusammenhängenden Querschnitt von „Schuld war nur der Bossa Nova“ über Cole Porter und Gilbert Bécaud bis zu „Great Balls of Fire“, allesamt mit deutschem Text versehen. Die Arrangements von Felix Meyerle werden vom Band eingespielt, gesungen wird natürlich live. Die Kurven, die manche Dialoge zu diesen Songs hin finden müssen, sind waghalsig, aber dafür legen die Darstellerinen von jung bis alt tolle Auftritte hin. Maryanne Kelly bringt sie mit kleinen choreografischen Showeinlagen in Schwung und lässt die verschiedenen Charaktere ihre Eigenarten auch im Tanz zeigen.
So kehrt zum Beispiel Anne Leßmeister, das graue, empfindliche Schwägerinnen-Mäuschen, nach einer Aufbauspritze als glitzernde Eiskönigin zurück – eine ganz herrliche Szene. Zu Rivalinnen werden Monika Wiedemer mit dem souveränen Auftritt der eleganten Hausherrin und Dorothée Kahler als Marcels anrüchige, aber leider noch elegantere Schwester. Sabine Bräuning gibt als Schwiegermutter Mamy die knitze alte Dame, Katja Hentschel versteckt hinter dem verständnisvollen Hausdamen-Äußeren ungeahnte Laster, Hannah Rebekka Ehlers gibt als Zimmermädchen die kritische Arbeitnehmerin und hat dennoch, genau wie alle anderen, egoistische Beweggründe. Barbro Viefhaus ist die strebsame, aber schwangere Tochter im Schottenkaro, Rosa Alice Abruscato schließlich deckt als 15-jährige, aufsässige Jüngste den Kriminalfall auf. Falls der Hausherr nicht ganz so tot war wie gedacht: Am Schluss ist er es. Mit dem Song „Zou bisou bisou“ kommt, leider arg spät, doch noch eine Prise französische Leichtigkeit ins Finale.
Musikalische Leitung: Felix Meyerle • Regie: Frank-Lorenz Engel • Choreografie: Maryanne Kelly • Ausstattung: Su Sigmund • Mit: Monika Wiedemer (Gaby), Barbro Viefhaus (Suzanne), Rosa Alice Abruscato (Catherine), Sabine Bräuning (Mamy), Anne Leßmeister (Augustine), Katja Hentschel (Madame Chanel), Hannah Rebekka Ehlers (Louise), Dorothée Kahler (Pierrette)
Aufmacherfoto: Tobias Metz




