
Starke Stimmen für ein inszeniertes Amy-Winehouse-Konzert
Ihre dunkle, unverwechselbare Stimme, die hochtoupierten Haare, der exzentrische Kleopatra-Lidstrich: Amy Winehouse ist nicht nur mit ihren (viel zu wenigen) Songs zur Ikone geworden, sondern auch durch ihre exzentrische Optik und die unverfälschten Auftritte. Ihr früher Tod an einer Alkoholvergiftung machte sie 2011 zum neuesten Mitglied des „Club 27“, der in diesem Alter gestorbenen Rock- und Poplegenden.
Der Abend in Heilbronn ist mit „Eine musikalische Show“ untertitelt: Bandleader Thilo Wolf und Librettist Kevin Schroeder erweisen der Legende in Form eines handlungslosen Konzerts Tribut, in dessen Lauf zwar immer wieder Fakten aus ihrem Leben erwähnt werden, wo aber vor allem ihre Musik im Mittelpunkt steht. Als Rahmen dafür kämpfen „Die Musik“ und die Figur „Black“ um Amy, verkörpert von Johanna Maria Iser respektive Arlen Konietz. Iser interpretiert vor allem Winehouse-Songs, Konietz eher die Jazz-Einflüsse aus den 1960ern, Nummern anderer Club-27-Mitglieder wie Jimi Hendrix oder Janis Joplin, den James-Bond-Song, den Winehouse doch nicht schrieb, oder Hits, die einfach vom Titel her passen wie „Painted Black“ von den Rolling Stones. Von Frank Sinatra bis zu Adele ist erstaunlich viel Musik enthalten, die nicht von der Titelfigur stammt.
Black und die Musik plaudern meist direkt ins Publikum, er stößt uns auch noch plump darauf hin, dass sein Name aus dem Song „Back to Black“ stammt. Das Ganze lässt sich im Grunde wie ein eleganter Starauftritt in einer großen Halle an. Der Todesengel tritt im schicken Abendanzug an, nicht etwa als faustische Figur oder punkiger Außenseiter – die Tragik des namensgebenden Songs, die tiefe Depression bleibt außen vor, Black teilt stattdessen Gemeinplätze wie „Das Vögelchen hatte mehr in der Stimme als nur Gezwitscher“. Meist streiten die beiden wie ein altes Ehepaar um Amy, die – natürlich! – immer wieder zur Musik zurückkehrt.
Anstatt das Besondere in ihrer Kunst zu suchen, nordet der Abend Winehouse als einen weiteren großen Star in die Jazz- und Popgeschichte ein. Thilo Wolf und seine exzellente, zehnköpfige Bigband haben mit Amys Vater Mitch Winehouse, einem Jazzmusiker, bereits zwei CDs aufgenommen, auch hier hören wir fraglos großartige Show-Arrangements und tolle Solo-Instrumente. Auf raffinierte Weise wird Johanna Maria Iser im Lauf des Abends immer mehr zu Amy, optisch wie auch stimmlich; dass beim Nachempfinden des großen Idols die Spontaneität draufgeht, liegt wohl im Lauf der Dinge. Auch Konietz singt bestens, bleibt als Todesfigur aber einfach kolossal harmlos.
Bühnenbildner Marc Jungreithmeier stellt vor den klassischen Bigband-Aufbau mit Mitteltreppe mal ein paar Tischchen, ansonsten sorgen seine animierten Projektionen für Farbe, in grafischen Darstellungen von London oder mit Silhouetten der Personen, von denen gerade die Rede ist. Amys Ruhm spiegelt sich in den Titelblättern der Zeitungen, erst ganz zum Schluss erscheint ihr echtes Bild. Regisseur Gaines Hall setzt die Conférencen elegant in Szene, der Showtanz seiner Choreografien aber passt selten zu den einsamen, dunklen Lyrics der Winehouse-Songs. Kostümbildner Toto wählte von Amys Kostümen die hübschen statt der dreisten – insgesamt wird das Bild der unverblümten und exzessiven Sängerin zu einer gestylten Diva geglättet.
Niemand verlangt von Johanna Maria Iser, so jung und verletzlich wie die echte Amy auszusehen, Tattoos oder Piercings zu tragen, aber das wirkt alles wie ein Starauftritt in Vegas. Diese Amy ist nicht exzentrisch, sie lebt nicht „ständig am Rande wie ein Rock’n’Roll-Poet“, wie Club-27-Mitglied Kurt Cobain einst über die Frühvollendeten sagte; man sieht nichts von Exzessen oder abgesagten Konzerten. Die echte Amy war authentisch – hier ist sie bereits die Ikone, zur der die Nachwelt sie verklärt hat. Das reicht für einen musikalisch aufregenden, aber doch sehr leeren Abend.
Musikalische Leitung: Thilo Wolf • Regie und Choreografie: Gaines Hall • Bühne und Video: Marc Jungreithmeier • Kostüme: Toto • Licht: Harald Emrich • Sounddesign: Alexander Hofmann • Mit: Johanna Maria Iser (Die Musik), Arlen Konietz (Black), Sarah Finkel, Lennart Olafsson, Juliane Schwabe (Backings), Larissa Hartmann, Klaudia Amanda Zajac, Thiago Fayad, Arvid Johansson (Dancers)
Aufmacherfoto: Candy Welz