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tfn 021 mann von la mancha timmueller | MUSICAL TODAY

Der Mann von La Mancha

Kampf gegen Windmühlen

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Venue
Theater für Niedersachsen
by
Mitch Leigh (Musik)
Dale Wasserman (Buch)
Joe Darion (Gesangstexte)
Direction
Anette Leistenschneider
World premiere
1965

Stürmischer Jubel für den „Mann von La Mancha“

„Tatsachen, mein lieber Sancho, sind die Feinde der Wahrheit.“ Mit diesen Worten erkennt Don Quijote im Musical „Der Mann von La Mancha“ sein komplettes Scheitern im Bemühen, die Welt als edler Ritter retten zu können. In seiner Wahrnehmung hält er eine Mühle für ein zu bekämpfendes Ungeheuer, sieht in einer heruntergekommenen Kneipe ein Schloss und nimmt die missbrauchte und gedemütigte Hure Aldonza als anbetungswürdige reine Jungfer Dulcinea wahr. Solche Szenen erzählen auch Nachdenkliches über unterschiedliche Wahrnehmungen der Realität. Dass man derartige philosophischen Fragen auf unterhaltsame Weise überzeugend auf die Bühne bringen kann, ist zurzeit am Theater für Niedersachsen zu sehen. In Hildesheim erlebt das Musical eine stürmisch umjubelte Premiere.

Regisseurin Anette Leistenschneider gestaltet mit einem in allen Rollen hervorragend disponierten Ensemble einen Musicalabend auf sehr hohem Niveau. Wir sehen den Schriftsteller Cervantes im Kerker der Inquisition, umringt von üblen Mitgefangenen, die ihn berauben und ihm auch sein Buch „Don Quijote“ wegnehmen – sie bezweifeln, dass er es geschrieben hat. Cervantes verteidigt seine Autorenschaft mit einer improvisierten Erzählung der Geschichte und macht die anderen dabei zu Mitspielenden. Und los geht es mit dem Theater im Theater.

Als Glücksfall für die Rolle des Cervantes bzw. Don Quijote erweist sich Karsten Oliver Wöllm. Statur, Sprache, Stimme und Spiel setzt er mit weit gefasster Gestaltungskraft ein und treibt die Figur des Ritters von der traurigen Gestalt authentisch durch alle Höhen und Tiefen seines Erlebens. Wunderbar hält er gegen alle ihn umtobende Realität seine schwärmerische Naivität durch. Erschütternd dann sein Zusammenbruch, als er vom Spiegelritter mit der Realität konfrontiert wird. Mit seiner natürlich sitzenden, großen Stimme füllt er die Songs mit überzeugendem Klang.

Zur Seite steht ihm der quicklebendige, körpersprachlich bewegliche und prächtig singende Samuel Jonathan Bertz als Sancho Panza. Er ist in Verzweiflung und Ironie ein adäquater Counterpart zu seinem Herrn. Katharina Wollmann als Aldonza bzw. Dulcinea hat vor allem in den dramatischen Szenen des Stückes ihre ganz großen Momente. Unvergesslich, mit welcher darstellerischen Wucht sie nach einer brutalen sexuellen Attacke von drei Maultiertreibern, seelisch zerstört und körperlich verletzt, Don Quijote mit ihrer eigenen Realität konfrontiert. Das geht unter die Haut. In den Songs entfaltet sie die volle Kraft ihrer Mezzo-Lage, und wie zärtlich berührend begleitet sie den Ritter am Sterbebett!

Die Regie baut einen guten Wechsel von intimen Duetten und Terzetten zu lebendig angelegten Ensemble-Szenen. Dabei passt Choreografin Katharina Glas die mediterran inspirierten, flotten Tanzszenen geschickt in den begrenzten Raum des Verlieses ein. Das hat Anna Siegrot als eine Art überdimensionalen Zylinder gestaltet, der mit einfachen Handgriffen vergittert werden kann und nach oben hin offen ist. Von dort tönt ab und zu bedrohlich die Stimme der Inquisition herunter, fällt Licht in das Dunkel und senkt sich zum Schluss bedrückend ein schwarzes Riesenkreuz herab.

Bei diesem Musical halten sich gesprochene Dialoge und Songs etwa im Gleichgewicht. Die spanisch grundierten Rhythmen und Harmonien werden von der Band, die Andreas Unsicker fachkundig vom Klavier aus leitet, ins Mischpult der Tontechnik gespielt. Von dort dauert es allerdings recht lange, bis den Stimmen des Ensembles genügend akustischer Raum gegeben wird. Nach der Pause stimmt es dann.

Insgesamt erlebt man eine faszinierende, preisverdächtige Version dieses Musicals, die eine Reise nach Hildesheim lohnend macht. Das Musical ist übrigens Teil einer spannenden Quijote-Trilogie, zu der die Oper „Don Chisciotte“ von Manuel García und das Schauspiel „Don Quijote“ von Rebekka Kricheldorf gehören. Alle drei Inszenierungen sollten im gleichen Bühnenbild stattfinden, was aufgeht – Respekt!


Musikalische Leitung: Andreas Unsicker • Choreografie: Katharina Glas • Bühne: Anna Siegrot • Kostüme: Patrizia Bitterich • Mit: Karsten Oliver Wöllm (Cervantes/Alonso Quijana/Don Quijote), Samuel Jonathan Bertz (Diener/Sancho), Katharina Wollmann (Aldonza), Daniel Wernecke (Gouverneur/Wirt),  Jürgen Brehm (Herzog/Dr. Carrasco/Spiegelritter), Ömer Örgey (Anselmo/Stimme des Hauptmanns der Inquisition), Jack Lukas (Pedro/Esel/Padre), Elisabeth Köstner (Juan/Pferd/Barbier), Lucía Bernadas Cavallini (Fermina/Antonia), Silke Dubilier (Maria/Haushälterin) • Band

Aufmacherfoto: Tim Müller

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