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Andy Nyman Max Bialystock and Marc Antolin Leo Bloom credit Manuel Harlan | MUSICAL TODAY

The Producers

Auf die Spitze getrieben

Überzeugendes Revival von Mel Brooks’ „The Producers“

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Venue
West End (Garrick Theatre)
by
Mel Brooks (Musik und Liedtexte)
Mel Brooks und Thomas Meehan (Buch)
Direction
Patrick Marber
World premiere
2001

Lachen über einen Schwerstverbrecher. Es macht ihn klein, nicht als überdimensionales Monster groß. Letzteres praktiziert die Geschichtsschreibung bis heute gern mit Blick auf historische Figuren. Erfolgsregisseur und Autor Mel Brooks setzt auf Amüsement, rückte dem totalitären Diktator Adolf Hitler mit satirischer Keule zu Leibe, wie vor ihm schon Charlie Chaplin. Brooks’ Film „Springtime For Hitler“ aus den späten 60er Jahren geriet zum umwerfend witzigen Kabinettstück, die Musicalfassung aus eigener Feder 2001 zum Triumph am Broadway, bedacht mit gleich zwölf Tony Awards: ein Rekord. In Deutschland vergnügt sich das Publikum über diese Parodie bestenfalls mit Ladehemmung. Das klappt im Londoner West End deutlich besser. Dort zeigt das Garrick Theatre ein glänzend aufpoliertes, schwindelerregend überdrehtes Revival und erntet Ovationen.

Mel Brooks zeichnete in der Musicalversion für Musik, Liedtexte und Buch verantwortlich, von Co-Autor Thomas Meehan unterstützt. Die hanebüchene Geschichte vom genervten New Yorker Produzenten Max Bialystock und seinem unbeholfenen Assistenten Leo Bloom auf der Suche nach dem schlechtesten Stück aller Zeiten führt beide durch den Dschungel des kommerziellen Theaters. Angewiesen auf Privatinvestitionen, durchforsten sie das verfügbare Material, landen bei Altnazi Franz Liebkind und seiner verschwurbelten Eloge auf den Führer. Ausgerechnet die allürenhafte Tunte Roger de Bris soll Regie führen. Damit scheint das Desaster vorprogrammiert. Mit dem Geld wollen Bialystock und Bloom fliehen. Doch der avisgierte Flop gerät unversehens zum Hit und Max wandert ins Gefängnis, derweil Leo und Sekretärin Ulla am Amazonas flittern. Brooks lässt dabei kein Klischee aus und schert sich einen Teufel um Political Correctness. Entsprechend spitzt er die Handlung pointenreich und bevorzugt krachledern zu. 

Regisseur Patrick Marber legt noch eine Schippe drauf, drängt das typengerecht besetzte Ensemble zu einer Tour de force durch die Untiefen seichter Unterhaltung und schafft gerade dadurch den doppelten Boden für Tiefenschärfe. Denn hinter dem oberflächlichen Spaß blitzt auch eine saftige Analyse des amerikanischen Theaterbusiness auf. Zugleich wird Hitler geradezu zerschreddert, was jedem faschistischen Aufflackern eine schallende Ohrfeige klatscht: Diesen Tyrannen kann niemand wirklich ernst nehmen. Das karge Dekor von Scott Pask und Paul Farnsworths passgenaue Kostüme schaffen den optisch perfekten Rahmen für den höchst deftigen Spaß, die Choreografie von Lorin Latarro sorgt für diverse Hingucker auf der relativ kleinen Bühne. Nationalsozialistische Symbole flattern in Knallrot durch den Raum, garniert mit teutonischer Folklore. Selbst Liebkinds Tauben tragen auf dem Hinterteil ein Hakenkreuz.

Im Epizentrum stampft, poltert, gurrt der hinreißende Andy Nyman als Max Bialystock durch die Handlung, entlockt älteren Ladys mit erotischen Tricks im Altersheim reichlich Dollars für die nächste Produktion, legt bei „Springtime“-Autor Franz brav die Nazi-Binde um oder bezirzt den obereitlen Roger mit süßlichen Komplimenten. Fulminant ist sein Knast-Monolog. Marc Antolin als Leo mutiert vom verklemmten Büroangestellten zum alerten Drahtzieher, die Ulla von Joanna Woodward bringt dick aufgetragenes Sex-Appeal ins Spiel. Harry Morrison ist ein drall dämlicher Franz Liebkind und Trevor Ashley als korpulenter Roger darf im Gewand eines römischen Gladiators mit Hitler-Frisur brüllend komisch durch die Szene poltern.

Das Tempo ist atemberaubend, wird von Dirigent Matthew Samer und der Band mit Karacho und trotzdem Feintuning zum Galopp getrieben. „The Producers“ präsentiert sich in London als frisch geputztes Musical mit exzellenter Cast – entsprechend euphorisch fällt die Resonanz beim Publikum aus.


Musical Supervision: Gareth Valentine • Musikalische Leitung: Matthew Samer • Regie: Patrick Marber • Choreografie: Lorin Latarro • Bühne: Scott Pask • Kostüme: Paul Farnsworth • Licht: Tim Lutkin • Sounddesign: Paul Groothuis • Mit: Andy Nyman (Max Bialystock), Marc Antolin (Leopold Bloom), Trevor Ashley (Roger DeBris), Raj Ghatak (Carmen Ghia), Harry Morrison (Franz Liebkind), Joanna Woodward (Ulla), Alex Lodge (Storm Trooper), Kelsie-Rae Marshall (Hold-Me-Touch-Me) u.a.

Aufmacherfoto: Manuel Harlan

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