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Top Hat

Stepptanz, Art Déco und Evergreens

„Top Hat“ als zeitloses Vintage-Musical mit hohen Schauwerten

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Venue
Southbank Centre (Queen Elizabeth Hall)
by
Irving Berlin (Musik und Liedtexte)
Matthew White und Howard Jacques (Bühnenbearbeitung)
Direction
Kathleen Marshall
World premiere
2011

Kaum ein Filmmusical verkörpert den Glamour der 1930er Jahre so vollkommen wie „Top Hat“ (1935). Dass der Film mit dem Leinwand-Traumpaar Ginger Rogers und Fred Astaire erst 2011 seinen Weg auf die Bühne gefunden hat, überrascht angesichts seines Kultstatus enorm. Nun hat sich mit Kathleen Marshall eine ausgewiesene Expertin für Vintage-Musicals der amüsanten Verwechslungskomödie in einer Neuinszenierung angenommen.

Im Zentrum der Handlung steht der amerikanische Performer Jerry Travers, der sich in die im Hotelzimmer unter ihm wohnende Dale Tremont verliebt. Diese hält ihn für den Mann ihrer Freundin Madge, was eine Reihe abenteuerlicher Verwechslungen in Gang setzt. Untermalt werden diese durch Evergreens von Irving Berlin wie „Cheek to Cheek“, wobei die ursprünglich nur fünf Filmsongs für die Bühnenfassung durch andere Nummern Berlins erweitert wurden.

In ihrer Inszenierung setzt Regisseurin und Choreografin Marshall konsequent auf die Nähe zur Filmvorlage. Gerade in den Ensemble-Tanznummern zeigt sich ihr Talent für spektakuläre Choreografien, die ebenso leichtfüßig wie mitreißend gestaltet sind und organisch aus der Handlung erwachsen. Gleichzeitig arbeitet Marshall die Komödienaspekte der Show (Buch: Matthew White und Howard Jacques) exzellent heraus. Gegen Ende des zweiten Aktes erschöpft sich die Kette von farcetypischen Verwechslungen allerdings etwas und der Abend würde von ein paar Kürzungen profitieren.

Glücklicherweise helfen die filmisch schnellen Schauplatzwechsel dabei, das Tempo hochzuhalten. Die opulent im Art-Déco-Stil ausgestattete Bühne (Peter McKintosh) kann sich durch einen geschickten Drehmechanismus in Sekundenschnelle von einem New Yorker Nachtclub in ein Londoner Hotel oder die Uferpromenade Venedigs verwandeln. Nicht minder eindrucksvoll sind Yvonne Milnes’ und Peter McKintoshs perfekt zur Handlungszeit passende Kostüme, in denen sich auch einige Anspielungen auf den Originalfilm finden. 

Die ursprünglich für das Chichester Festival Theatre konzipierte Produktion ist im Londoner Southbank Centre zu erleben. Phillip Attmore trägt den Abend als charismatischer Jerry Travers und beeindruckt tänzerisch wie gesanglich. Insbesondere in den auf Tanz fokussierten Nummern wie „Puttin’ on the Ritz“ oder „Top Hat, White Tie and Tails“ stellt er effektvoll sein Stepptalent unter Beweis. Amara Okereke bietet als selbstbewusst-kokette Dale Tremont ein perfektes Gegengewicht. In der besuchten Vorstellung fällt Okereke in der Pause krankheitsbedingt aus und wird kurzfristig durch Tilly Ducker ersetzt, deren Dale deutlich zurückhaltender und verletzlicher ist. Ihr ergreifendes Solo „Better Luck Next Time“ wird zu einem gesanglichen Höhepunkt des zweiten Aktes.

Clive Carter und Sally Ann Triplett überzeugen als Jerrys Produzent Horace und dessen Frau Madge mit komödiantischem Talent. Das Berlin-typische Hass-/Liebesduett „Outside of That, I Love You“ gegen Ende der Show wirkt ihnen wie auf den Leib geschrieben. Aus dem spielfreudigen, wenn auch an manchen Stellen noch etwas unsicher wirkenden Ensemble sind zudem James Clyde als verkleidungslustiger Diener Bates und Alex Gibson-Giorgio als stereotyper italienischer Modedesigner Beddini besonders hervorzuheben.

Stephen Ridley führt als musikalischer Leiter die elfköpfige Band gekonnt durch die jazzige Partitur, die sich als Herzstück des Musicals erweist. Berlins Ohrwurm-Melodien und seine pointierten Texte sorgen dafür, dass das 90 Jahre alte Stück trotz seiner vorhersehbaren Handlung und einiger Längen noch immer zu begeistern weiß. „Top Hat“ ist ein schillernder Vintage-Spaß mit hohen Schauwerten, der beste Laune und erstklassige Unterhaltung bietet.


Music Supervision: Gareth Valentine • Musikalische Leitung: Stephen Ridley • Regie und Choreografie: Kathleen Marshall • Bühne: Peter McKintosh • Kostüme: Yvonne Milnes und Peter McKintosh • Licht: Tim Mitchell • Sounddesign: Paul Groothuis • Mit: Phillip Attmore (Jerry Travers), Amara Okereke/Tilly Ducker (Dale Tremont), James Hume (Horace Hardwick), Sally Ann Triplett (Madge Hardwick), James Clyde (Bates), Alex Gibson-Giorgio (Alberto Beddini) u.a.

Aufmacherfoto: Johan Persson

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