
Solide Produktion der „West Side Story“
Seit mittlerweile fast 70 Jahren begeistert Leonard Bernsteins Meisterwerk „West Side Story“ sein Publikum. Nun wird die moderne Adaption von Shakespeares „Romeo und Julia“, die die Handlung in das New York der 1950er Jahre verlegt, auch in Wunsiedel gespielt. Hinsichtlich der mitten in der Natur eingebetteten Felsenbühne nicht unbedingt die naheliegende Stückauswahl, schließlich sind die Konflikte zwischen den rivalisierenden Jugendgangs Jets und Sharks in den Straßenschluchten der Großstadt angesiedelt. Das Bühnenbild von Sabine Lindner überspannt die Felsen daher mit einer langen Brücke, flankiert von mehreren Häusern. Gedreht eröffnen diese neue Spielräume mit Treppen und Podesten. Leider sind die Rollen dieser fahrbaren Dekorationsteile sehr laut, was bei den Umbauten manchmal etwas stört. Auch das Neuarrangieren der Hauselemente, wodurch Innenräume wie Doc’s Drugstore oder Marias Schlafzimmer entstehen, bremst manchmal den Fluss der Handlung etwas aus. Schade, wo doch die Inszenierung von Tim Zimmermann und Torsten Ankert (nach einem Regiekonzept von Peter Hohenecker) auf Tempo setzt.
Ansonsten vertraut die Produktion auf das Stück und die Figuren an sich. Die Kostüme (Marion Hauer) spiegeln ebenfalls die Handlungszeit wider, Jets und Sharks werden auch durch ihre Kleidung eindeutig klassifiziert. Die amerikanische Jugendgang trägt Jeans, die puerto-ricanische Stoffhosen. Ein wesentliches Element der „West Side Story“ ist natürlich die Choreografie, denn gerade bei diesem Stück ist das Miteinander von Gesang, Schauspiel und Tanz bereits in der dramaturgischen Struktur des Werkes perfekt vereint. Choreograf Tim Zimmermann zitiert Jerome Robbins, der für die Uraufführung verantwortlich zeichnete, und schafft ein stimmiges Gesamtbild. Den finalen Wow-Effekt bleibt die Choreografie jedoch schuldig.
Stimmlich und darstellerisch souverän gibt Bosse Vogt den Tony. Man nimmt ihm die positive Art von der ersten Minute an ab, als er fest davon überzeugt ist, dass etwas Entscheidendes auf ihn zukommt. Anfänglich etwas hölzern wirkt die Figur der Maria. Im Laufe des Abends steigert sich Sarah Weidering jedoch darstellerisch kontinuierlich und vor allem ihr Ausbruch am Leichnam von Tony gelingt ihr überzeugend. Auch wird das Zusammenspiel der beiden Protagonisten immer intensiver, sodass das Duett „Tonight“, bei dem die Chemie zwischen beiden noch nicht ganz stimmte, schnell vergessen ist.
Das Ensemble besticht generell mit einer großen Spielfreude. Nico Schweers macht als Riff, der Anführer der Jets, bald deutlich, dass er zwar klar die Oberhand auf der Straße behalten möchte, aber auch nicht auf komplette Eskalation aus ist. Manuel Nobis geht als Bernardo die Familie über alles und er möchte für seine Schwester Maria nur das Beste. Besonders hervorzuheben ist Karin Seyfried als Anita. Sie macht sämtliche Facetten ihrer Figur deutlich, von übersprudelnder Energie bei „America“ bis zu tiefster Verachtung für die Jets, nachdem sie von diesen in Doc’s Drugstore bedrängt wurde. Auch Torsten Ankert als Doc liefert einen eindrucksvollen Moment, wenn er am Schluss Tony vor Augen hält, wohin die Rivalität der Gangs geführt hat. Nicht vergessen werden soll an dieser Stelle Alida Wills überzeugende Interpretation von „Somewhere“.
Ein 19-köpfiges Orchester auf der Luisenburg ist etwas Außergewöhnliches. Souverän geleitet von Peter Christian Feigel präsentiert es die bekannten Melodien von Leonard Bernstein, die dem Publikum nach der Vorstellung im Ohr bleiben. Mit einem Schlussapplaus wie diesem sollte die Luisenburg zahlreiche Zuschauer anziehen.
Musikalische Leitung: Peter Christian Feigel • Regiekonzept: Peter Hohenecker • Choreografie: Tim Zimmermann • Bühne: Sabine Lindner • Kostüme: Marion Hauer • Mit: Sarah Weidinger (Maria), Bosse Vogt (Tony), Karin Seyfried (Anita), Nico Schweers (Riff), Manuel Nobis (Bernardo), Sandro Wenzing (Action), Kevin Lavenia (A-Rab), Daniel Hauser (Baby John), Christoph Loebelt (Diesel), Anna-Sophie Weidinger (Graziella), Kimberley Bolen (Clarice), Annika Böbel (Velma), Lilia Höfling (Anybody’s), Francesco Alimonti (Chino), Vincent Treftz (Pepe), Armando Rossi (Indio), Alessio Ruaro (Juano), Celine-Denise Unden (Rosalia), Alida Will (Consuela), Sophie Reinicke (Francisca), Torsten Ankert (Doc/Krupke), Fynn Duer-Koch (Schrank/Glad Hand) • Ballett der Kreismusikschule Tirschenreuth • Orchester/Luisenburg Band
Aufmacherfoto: Luisenburg-Festspiele/Florian Miedl




