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Anatevka

Von der Suche nach Sinn

oRT
Theater Erfurt
von
Jerry Bock (Musik)
Joseph Stein (Buch)
Sheldon Harnick (Gesangstexte)
Regie
Ulrich Wiggers
Uraufführung
1964

„Anatevka“ bei den DomStufen-Festspielen

Beeindruckend ist die Open-Air-Spielstätte des Theaters Erfurt allemal. Zwischen Dom und St. Severi werden die 70 Stufen seit 1994 jeden Sommer mit opulenten Opern- und Musicalproduktionen bespielt. Diesmal fiel die Wahl rund 60 Jahre nach der Uraufführung auf „Fiddler on the Roof“, in Deutschland besser bekannt als „Anatevka“.

Augenfällig ist eine durch Einschüsse umgekippte überdimensionale Milchkanne, deren Inhalt sich über die gesamte Treppe bis zum Bühnenrand ergießt. Große Holz- und Glassplitter auf der Bühne verheißen ebenfalls nichts Gutes. Den Bühnenabschluss bilden zertrümmerte Grabplatten eines jüdischen Friedhofs. In diesem assoziativen Bühnenbild von Leif-Erik Heine entwickelt sich mittels Ulrich Wiggers’ Regie die Geschichte von Tevje, dem Milchmann, den jeder im Dorf Anatevka kennt. Drei heiratsfähige Töchter sollen „an den Mann gebracht“ werden. Dabei spielt Tradition eine bestimmende Rolle und birgt zugleich Konfliktpotential. Die Suche nach Toleranz, Identität und Selbstbestimmung ist für Wiggers das entscheidende Merkmal, das über die erzählte Geschichte hinausweist und die Sinnhaftigkeit dieser Arbeit klar in den Vordergrund schiebt. Das Bühnenbild und Jula Reindells Kostüme spielen dabei eine wesentliche Rolle.

Was außerdem zur Verfügung steht, ist ein vorzügliches Ensemble, um die Wucht dieser Erzählung zu untermalen. Das gelingt in großen Tableaus bereits zu Beginn und endet mit sehr emotional ausgespielten Szenen. Stütze dieser Unternehmung sind zweifelsohne die beiden Protagonisten des Abends: Tevje und seine Frau Golde. Máté Sólyom-Nagy ist zu Beginn das Zentrum des Abends: vital, mit einer Portion Lebensklugheit und vermeintlicher Bibelfestigkeit, die der Sohn des Rabbis beständig anzweifelt. Trotz Schicksalsschlägen, die für ihn vom kranken Pferd bis zu den eigenständigen Willensentscheidungen der Töchter reichen, ist Tevje mit Schlitzohrigkeit ausgestattet, die Sólyom-Nagy wunderbar ausspielen kann.

Dass seine Frau Golde aus anderem Holz geschnitzt ist, macht dieses Paar auf der Theaterbühne so glaubhaft und scheint neben der Musik einer der Gründe für den dauerhaften Erfolg dieses Stückes zu sein. Mit Brigitte Oelke ist Golde vorzüglich besetzt. Sie führt das Regiment im Haus und hält die Fäden. Wie sie mit Heiratsvermittlerin Jente den Deal verhandelt und Tevje ins Wirtshaus zum Metzger Lazar Wolf schickt, dann aber durch einen auch in dieser Aufführung gelungenen Traumzauber (Choreografie: Kati Heidebrecht) die älteste Tochter Zeitel ihren armen Schneider Mottel Kamzoil der Liebe wegen bekommt, sind nachdrückliche Beweise für eine solide Regiearbeit. Die setzt sich in den Geschehnissen um Hodel, die dem Studenten Perchik nach Sibirien folgt, fort. Anrührend die Abschiedsszene zwischen Tevje und Hodel. Dass er kein Verständnis zeigt und den Bruch mit seiner Lieblingstochter Chava vollzieht, zeigt den großen Spannungsbogen der Aufführung. Chava verlässt ihren Glauben, um mit dem Russen Fedja zusammenzuleben.

Der Abend wird musikalisch verantwortet von Clemens Fieguth. Gemeinsam mit dem Philharmonischen Orchester Erfurt schafft er – unterstützt von einer fünfköpfigen Tonmannschaft – ein Klangbild der hohen Textverständlichkeit. Markus Baisch und April Xi Yuan Foo haben die Chorpartien einstudiert und machen damit gemeinsam mit allen Beteiligten diesen Abend zu einem Ereignis.


Musikalische Leitung: Clemens Fieguth • Bühne: Leif-Erik Heine • Kostüme: Jula Reindell • Videodesign: Bonko Karadjov • Choreografie: Kati Heidebrecht • Chor: Markus Baisch und April Xi Yuan Foo • Mit: Máté Sólyom-Nagy (Tevje), Brigitte Oelke (Golde), Daniela Gerstenmeyer (Zeitel), Hannah Miele (Hodel), Gioia Heid (Chava), Gudrun Schade (Jente), Bosse Vogt (Mottel Kamzoil), Denis Riffel (Perchik), Jörg Rathmann (Lazar Wolf), Hector Mitchell-Turner (Fedja), Justus Schmeck (Mendel) u.a. • Opernchor des Theaters Erfurt • Philharmonisches Orchester Erfurt

Aufmacherfoto: Theater Erfurt/Lutz Edelhoff

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