04 La Cage aux Folles Vincent Glander Kei Muramoto @Sandra Then | MUSICAL TODAY

La Cage aux Folles

Make-up gegen die Einsamkeit

qi addons for elementor placeholder | MUSICAL TODAY
oRT
Theater Freiburg
von
Jerry Herman (Musik und Liedtexte)
Harvey Fierstein (Buch)
Erika Gesell und Christian Severin (Deutsche Fassung)
Regie
Maurice Lenhard
Uraufführung
1983

„La Cage aux Folles“ behält seine Leichtigkeit

„Ich bin, was ich bin“ singt Vincent Glander als Dragqueen Zaza am Ende des ersten Aktes von „La Cage aux Folles“. Gloria Gaynor hat den Song in seiner englischen Version „I Am What I Am“ zu einem echten Kracher gemacht, der auch heute noch auf keiner Ü40-Party fehlen darf. Am Freiburger Theater zieht sich Glander in der Inszenierung von Maurice Lenhard Stück für Stück aus, legt Perücke und Kleider ab. Ein ganz ruhiger, nachdenklicher Moment inmitten von Gags und Glamour.

Wenn man mit dem 1983 uraufgeführten Musical, das in der queeren Community Kultstatus hat, als erster Musiktheater-Neuproduktion in die neue Spielzeit startet, dann ist das auch ein Statement des neuen Intendanten Felix Rothenhäusler, der gemeinsam mit seinem Chefdramaturgen Franz-Erdmann Meyer-Herder zu mehr Queerness einladen möchte. Dass auch in Deutschland CSD-Paraden von Rechtsextremen gestört werden, zeigt die Aktualität des Musicals. Und dass mit Edouard Dindon, dem Henry Meyer den nötigen Fanatismus verleiht, der Vorsitzende der „Partei für Tradition, Familie und Moral“ im Stück auftaucht, könnte auch direkt der Gegenwart entstammen.

Bis auf wenige Anspielungen, die Victor Calero als Georges in ein, zwei gut gesetzten Nebensätzen fallen lässt, betont Regisseur Maurice Lenhard den Witz, das Tempo und die Eleganz der Vorlage – und das ist auch gut so. Eine zu starke Politisierung würde dem Musical seinen Reiz nehmen. Malina Raßfeld hat für die Drehbühne eine schön plüschig eingerichtete Wohnung gebaut, die in die glitzernde Showbühne übergeht.

Schon in der Figur von Albin/Zaza ist diese Doppelung angelegt. Und wenn Vincent Glander mit tiefer, sonorer Stimme den Song „Mascara“ im Schlafzimmer singt, dann hilft das für den Auftritt aufgelegte Make-up auch gegen die Einsamkeit. Dass ihm manches Mal nicht nur das Kleid („Ich sehe, meine Titten hängen schief“), sondern auch die Intonation verrutscht, macht seinen Auftritt nicht weniger berührend. Und auch das Timing und die Leichtigkeit beherrscht der Schauspieler perfekt. Mit Victor Calero als Ehemann und Clubbesitzer Georges hat dieser Albin einen Partner auf Augenhöhe an seiner Seite, der die vielen gesanglichen Herausforderungen meistert und als lockerer, auch mal tanzender Conférencier die Fäden zusammenhält.

Den passenden Ton für den Abend findet in der besuchten Vorstellung auch das Philharmonische Orchester Freiburg unter Johannes Knapp nach leichten Anlaufschwierigkeiten. Jerry Hermans Songs wie „Die schönste Zeit ist heut“ oder „Mit dir im Arm“, aber auch der Titelsong und die „Männliche Lektion“, bei der sich der zarte Albin zu einem breitbeinigen Macho verwandeln soll, werden aus dem Orchestergraben in ganz unterschiedliches Licht getaucht. Das Orchester kann zuspitzen und wieder den Druck rausnehmen, symphonischen Glanz verbreiten oder als Big Band mit scharfen Bläsersätzen das Geschehen anheizen. Die musikalischen Übergänge klappen so elegant wie die szenischen. Und mit der Revue-Compagnie „Les Cagelles“ (Benedikt Peters, Nikko Forteza, Romeo Salazar, Lukas Strasheim, Simone van Wengerden, Tamara Viola Kurti, Giuseppe Brancato) ist eine quirlige, temperamentvolle Truppe am Start, die selbst als Seepferdchen, Lippenstift oder Qualle eine gute Figur macht (Kostüme: Christina Geiger / Choreografie: Steven Armin Novak).

Die beteiligten Mitglieder des Opernensembles setzen musikalische Akzente. Jakob Kunath ist mit seinem geschmeidigen Bariton („Mit Anne im Arm“) als Sohn Jean-Michel ein echter Hinhörer. Lila Chrisp als Freundin Anne Dindon, Maeve Höglund in der Rolle der Restaurantbesitzerin Jaqueline und Inga Schäfer als sich vom stockkonservativen Ehemann befreiende Politikergattin Marie Dindon glänzen ebenfalls in ihren kurzen Gesangsnummern. 

Zum großen Finale hat jede, jeder und alles dazwischen nochmals einen Auftritt im schrägen Fummel. Das Publikum klatscht mit und feiert die Produktion mit gebührendem Enthusiasmus.  


Musikalische Leitung: Johannes Knapp • Regie: Maurice Lenhard • Choreografie: Steven Armin Novak • Bühne: Malina Raßfeld • Kostüme: Christina Geiger • Licht: Dorothee Hoff • Sounddesign: Joscha Muschal und Kai Littkopf • Video: Viktor Sabelfeld • Mit: Victor Calero (Georges), Vincent Glander (Albin/Zaza), Kei Muramoto (Jacob), Jakob Kunath (Jean-Michel), Lila Chrisp (Anne Dindon), Henry Meyer (Edouard Dindon), Inga Schäfer (Marie Dindon), Maeve Höglund (Jacqueline), Timothy Connor (Francis/Monsieur Renaud), Yewon Kim (Madame Renaud), Benedikt Peters (Chantal), Nikko Forteza (Hanna), Romeo Y. Salazar (Phädra), Lukas Strasheim (Mercedes), Rosalie Simone van Wengerden (Odette), Tamara Viola Kurti (Angelique), Giuseppe Brancato (Dermah) • Studierende des Freiburger Opernstudios • Statisterie des Theaters Freiburg • Philharmonisches Orchester Freiburg

Aufmacherfoto: Sandra Then

Spielorte

Archiv