
„Saving Mozart“ stellt seine Heldinnen in den Fokus
„Sie sind alle hier wegen mir?“ ist der junge Mozart verblüfft, als er aus dem Publikumsraum die Bühne entert. Tja, Wolferl: Talent verpflichtet, auch nach über 269 Jahren bleibst Du ein Dauerbrenner. Mozart geht als Film „Amadeus“, als Musical im Theater an der Wien – und toppt das alles jetzt, in jüngster Auflage, als weiteres Musical einer 25-jährigen britischen Autorin: Charli Eglinton wagte und gewann.
„Saving Mozart“ stellt die Frauen um den Superstar der Wiener Klassik in den Fokus. Ohne Schwester Nannerl und Ehefrau Constanze hätte es, wie sie meint, keinen Mozart gegeben. Sie „retteten“ ihn, waren ihm Schutzengel und Inspiration, gaben ihm Kraft und Mut.
Denis Riffel als Mozart, rotzfrech mit wild wallender Haarpracht, legt im ersten Bühnenmoment die Zündschnur. Retrospektiv erzählt er, wie alles anfing mit dem Wunderkind. Und von seinem nicht minder virtuosen und innigst geliebten Schwesterherz Nannerl, das Vater Leopold (Yngve Gasoy Romdal) bewusst im Schatten des Bruders hielt. Eine Tatsache, die für beide Geschwister schmerzhaft war, wie Regisseur Markus Olzinger in einigen Szenen erlebbar macht. Nannerl fungiert als leuchtendes Vorbild am Cembalo und gibt dem Brüderchen wegweisende Tipps: „Komponier aus dem Herzen!“ Was Klein-Mozart bald umzusetzen imstande ist, was ihn „die Farben der Musik spüren lässt“, das bleibt der naiv-gutgläubigen Schwester, nur weil sie Frau ist, verwehrt.
Das Kind Mozart wird von der achtjährigen Paulina Felice gespielt. Sie bewegt sich im Rampenlicht wie eine Große – solistisch, im Duett oder im Ensemble liefert sie auch gesanglich eine großartige Leistung ab. Aufmüpfig begehrt Wolferl mit so manch coolem Spruch und Lippenfurz gegen den väterlichen Drill auf. Die liebende Mutter (Leah Delos Santos) bangt mehr und mehr um das Seelenheil des überforderten Wunderkindes. Bald wird Salzburg zu eng: „Lauf los, denk groß!“, rät Nannerl – Tamara Pascual überzeugt auf ganzer Linie mit großer Stimme in energievoller Bewegung.
Die Bühne lebt und bebt: Temporeich gestaltet Regisseur Olzinger die Handlung zwischen und zu den Songs – alles ist kurzweilig und klar inszeniert, die Texte werden immer, selbst wenn sie von großer Emotion beseelt sind, sehr gut artikuliert. Überhaupt schwappt reichlich Gefühlsstoff über den Bühnenrand und aus dem Graben – der musikalische Leiter Jürgen Goriup bringt das Ensemble in mozartischen Drive.
Aus den ohrwurmverdächtigen Songs ist der Samen ihrer Inspiration herauszuhören: Es sind an Mozarts Musik angelehnte, heutig weitergedachte, moderne Kompositionen, die sowohl prägnante Ereignisse als auch wichtige Begegnungen entlang von Wolferls Lebenslauf abbilden. Da schimmert „Eine kleine Nachtmusik“ heraus, dort schleichen sich Rudimente der Königin-der-Nacht-Arie ins Gehör und am Ende dürfen Spuren des Requiems nicht fehlen. Eglintons Kompositionen vereinen Klassik mit Anleihen aus Pop und anderen Genres, sie sind tanzbar, natürlich und zugleich eingängig melodisch, zum Mitschwelgen schön.
Choreograf Taylor Walker fielen dazu die entsprechenden Moves ein, die das Ensemble mit überbordender Bewegungsfreude umzusetzen weiß. Die Kostüme von Julia Pschedezki sind wahre Eyecatcher, die den barocken Rüschen-Touch mit stylish-modernen Elementen paaren. Herzstück des Musicals aber ist Denis Riffel als Mozart – er wirkt wie die authentische Wiedergeburt des manisch-depressiven, lebenswütigen und zugleich empfindsamen Genies. Mit einer fantastischen Stimme malt er zarte und zugleich kraftvolle Klänge: Liebe und Demut, Enttäuschung oder die überwältigende Erfahrung, selbst Vater zu werden, transportiert er mit sprühender Leidenschaft. Kongenial agieren seine beiden „Schutzengel“, auch Michaela Thurner als Constanze gibt eine gute Figur ab. Es ist ein emotionsreiches Musical-Ereignis, in dem das Premierenpublikum mit offenen Mündern und flimmernden Herzen stillsitzt und vermutlich einfach nur dankbar ist, genau in diesem Moment an diesem Ort zu sein.
Musikalische Leitung: Jürgen Goriup • Regie und Bühne: Markus Olzinger • Choreografie: Taylor Walker • Kostüme: Julia Pschedezki • Licht: Ingo Kelp • Visual Artists: VAME • Sounddesign: Roland Baumann • Mit: Tamara Pascual (Maria Anna „Nannerl“ Mozart), Denis Riffel (Wolfgang Amadeus Mozart), Yngve Gasoy-Romdal (Leopold Mozart), Michaela Thurner (Constanze Weber, verh. Mozart/später Nissen), Jelle Wijgergangs (Antonio Salieri u.a.), Leah Delos Santos (Anna Maria Mozart), Meïmouna Coffi (Cäcilia Weber/Kaiserin Maria Theresia u.a.), Steven Seale (Erzbischof Hieronymus Colloredo u.a.), Jan-Eike Majert (Kaiser Joseph II. u.a.). Paulina Felice (Mozart als Kind) u.a. • Orchester des Musical Frühlings in Gmunden
Aufmacherfoto: Rudi Gigler