„MJ – Das Michael Jackson Musical“ entführt in die faszinierende Welt des „King of Pop“
Globale Phänomene gibt es viele, globale Legenden aber sind rar. Michael Jackson war, ist und bleibt zweifellos beides. Den Zenit seiner Karriere erreichte er Anfang der 1990er Jahre, bevor Vorwürfe des Kindesmissbrauchs – trotz Freispruchs und Beweismangels – sein Image nachhaltig beschädigten. „MJ – Das Michael Jackson Musical“ setzt kurz vor diesem Wendepunkt an. Auch wenn diese Leerstelle bleibt, zeichnet das Buch von Lynn Nottage kein beschönigendes Porträt des Popstars, sondern entwirft eine durchaus tiefschürfende, psychologische Studie, die dessen Weg vom Kinderstar zur Kunstfigur versinnbildlicht. Nach der Uraufführung am Broadway 2022 hat das mit vier Tony Awards ausgezeichnete Jukebox-Musical nun auch den Sprung vom Hudson gen Hamburg gewagt, wo es fortan am Stage Theater an der Elbe zu sehen ist.
Der Plot setzt zwei Tage vor dem Start von Jacksons „Dangerous“-Welttournee ein. Der Popstar (herausragend: Benét Monteiro) sieht sich dabei nicht nur den Anforderungen der Proben und finanziellem Druck, sondern auch einer wachsenden negativen Berichterstattung ausgesetzt. Eine MTV-Doku soll die öffentliche Meinung beschwichtigen – ein Vorhaben, das die zunehmend sensationsgierige Reporterin Rachel (stark: Eve Rades) mit ihrem tollpatschigen, aber menschlich-korrekten Kameramann (pointiert: Pedro Reichert) begleiten soll. Während Jackson sich zunächst widerwillig auf Rachel einlässt, erlebt er in Flashbacks die Traumata, aber auch Triumphe seines Lebens: eine toxische Familie, Rassismus im Showbusiness und der nie endende Druck, perfekt zu sein.
Regisseur und Choreograf Christopher Wheeldon etabliert bei diesen Rückblenden den Tanz geschickt als eigene Erzählinstanz. Damit offenbart er Kontinuitäten, die vom Broadway-Choreografen Bob Fosse (elegant: Roberto Vai) direkt zu Jacksons unverkennbarem Stil führen (besonders deutlich beim Showhöhepunkt „Smooth Criminal“). Diese fein herausgearbeitete Parallele dürfte insbesondere Musical-Fans auffallen und freuen.
Das Herzstück des Musicals ist Benét Monteiro, dessen Darstellung des erwachsenen Jackson die vielschichtigen Facetten des Künstlers eindrucksvoll einfängt. Ob als perfektionistischer Performer oder verletzlicher Mensch, der sich in die Projektionen seiner Songnarrative flüchtet: Monteiro überzeugt tänzerisch, gesanglich und schauspielerisch, ohne jemals ins Karikatureske zu verfallen. Unterstützt wird er von Prince Damien als Teenager-Michael, dessen Spiel zwar Empathie zur Rolle erkennen lässt, im Vergleich jedoch etwas zu künstlich-überzogen daherkommt, sowie Luan, der den kleinen Michael mit berührender Einfühlsamkeit mimt. Besonders bewegend ist sein Duett „I’ll Be There“ mit der bestens aufgelegten Jessica Mears als Mutter Katherine, die den Missbrauch des Vaters zur Liebe verklärt.
Neben der Hauptrolle selbst fungieren die weiteren Figuren eher als gut besetzte Stichwortgeber der nächsten biografischen Episode: Besonders erwähnenswert sind David Hughey, der zwischen rücksichtsvollem Tourmanager Rob und Michals missbräuchlichem Vater Joseph changiert, sowie DNPRI als musikalischer Bruder Tito und Inspirationsgeber Quincy Jones.
Gelungen ist auch das Bühnenbild von Derek McLane, das durch Projektionen und clevere Wechsel eine rasante Erzählung ermöglicht, während die Band unter Aday Rodriguez Toledo die vielseitigen Arrangements und Orchestrierungen (David Holcenberg und Jason Michael Webb) der Hits des „King of Pop“ meisterhaft interpretiert. Die Kostüme von Paul Tazewell referenzieren die ikonischsten Bekleidungen des Popstars treffend. Alles in allem gelingt „MJ“ damit der Spagat, Jackson weder zu verklären noch zu skandalisieren. Ein Gesamtkunstwerk, das den Popstar in all seiner Vielschichtigkeit erfahrbar macht – ein Muss, nicht nur für Fans.
Musical Supervision: David Holcenberg • Musikalische Leitung: Aday Rodriguez Toledo • Regie und Choreografie: Christopher Wheeldon • Michael Jackson Movement: Rich + Tone Talauega • Bühne: Derek McLane • Kostüme: Paul Tazewell • Licht: Natasha Katz • Sounddesign: Gareth Owen • Elektronisches Musikdesign: Strange Cranium • Projektionen: Peter Nigrini • Mit: Benét Monteiro (MJ), Prince Damien (Michael), David Hughey (Rob/Joseph Jackson), Eve Rades (Rachel), Luan (Kleiner Michael), Nayo (Kleiner Marlon), Jessica Mears (Kate/Katherine Jackson), DNPRI (Tito Jackson/Quincy Jones), Perci (Nick/Berry Gordy), Pedro Reichert (Alejandro), Mario Gremlich (Dave) u.a.
Aufmacherfoto: Matthew Murphy/Stage Entertainment