
Bei der „Saturday Night Fever“-Tour schleppt sich nicht nur Tony voran
Vielleicht sind die Zeiten des Disco Fevers einfach vorbei. Vielleicht chillt die heutige junge Generation lieber, chattet und spielt miteinander in virtuellen Welten oder hängt mit Freunden im kleinen Rahmen ab – und interessiert sich daher nicht mehr für die Tanzwut ihrer Vorfahren mit Hüftschwung und Wiegeschritt. Vielleicht aber ist diese Neuauflage des Jukebox-Musicals „Saturday Night Fever“ auch zu schlicht geraten, lässt sich nicht mehr mit jenen Charakteren aus den 70er Jahren identifizieren. Am Ende sind es wohl all diese Gründe (und noch ein paar Ursachen mehr), die dazu führen, dass die Tourproduktion des Entertainment-Unternehmens ShowSlot nicht nur Tanzwelten entfernt ist von den Ursprüngen des gleichnamigen 70er-Kino-Blockbusters und dem Charisma eines so verdammt coolen John Travoltas, der seinerzeit mit gen Himmel deutendem Zeigefinger des ausgestreckten rechten Arms und der zum Boden hin geballten linken Faust zur Ikone einer ganzen Generation wurde.
Auf der Tour-Station in Hamburg indes bleiben weit mehr als drei Viertel aller Sitze in der Wilhelmsburger Inselpark Arena leer – und das liegt ganz sicher nicht allein an der ziemlich tristen Örtlichkeit dieser 3.500 Plätze fassenden Sporthalle am Rande der Großstadt. Aus Marketing-Gesichtspunkten schlicht eine schlechte, völlig überproportionierte Wahl – und dass die kleine, eher düstere Bühne an der Kopfseite sich in der viel zu großen Location obendrein verliert, trägt auch nicht gerade zur Stimmungsaufhellung bei.
Regisseur und Choreograf Christopher Tölle hat in der Neuauflage der Story über den tanzwütigen Tony Manero die Fäden gezogen und lässt die Discokugeln kreisen – warum letzteres allein im Bühnenhintergrund passiert, bleibt sein Geheimnis. Eine weit größere Stimmungsbremse ist die Entscheidung, auf eine Live-Band zu verzichten und die unsterblichen Hits von den Bee Gees, Kool & The Gang und The Trammps als Halbplayback für das Ensemble lediglich vom Band einspielen zu lassen. Sind Kostengründe der Grund? Am Ende fehlt so nicht nur der richtige Groove, sondern es bleibt allein den Hauptdarstellern überlassen, die Geschichte musikalisch voranzutreiben. Doch eine wirklich große, mitreißende Stimme findet sich in diesem Ensemble leider nicht.
Und so schleppt sich die Story vom 19-Jährigen Tony, der tagsüber im Arbeiterviertel Brooklyn als kleiner Angestellter in einem Farbengeschäft seine Dollars verdient, um des Nachts im Club „2001 Odyssey“ zum Disco-König zu avancieren, eher müde voran. Obendrein offenbart Alexander Auler in dieser Rolle eine Hüftsteifheit, die nicht nur in der Erinnerung an Travoltas legendäre Szenen schmerzt, sondern einfach die Frage provoziert: Was bringt ausgerechnet in dieser Story ein Tony, der nicht richtig tanzen kann?
Zumal, wenn im Gegensatz zum Film die sozialkritischen Aspekte zu Gewalt und Drogenmissbrauch lediglich angedeutet werden und die Handlung damit an Farbe(n) und Charakteren verliert. Discofieber kommt da ebenso wenig auf wie eine packende Geschichte, auch wenn das Ensemble ganz ordentlich zu singen, tanzen und (bisweilen) auch spielen vermag. Hilft aber eben alles nichts, wenn die Jüngeren im Publikum diese Rebellion ihrer (Groß-)Eltern nicht mehr interessiert und letztere voller Melancholie an den Filmklassiker und John Travolta denken …
Regie: Christopher Tölle • Choreografie: Christopher Tölle und Nigel Watson • Bühne: Andrew Exeter • Kostüme: Heike Seidler • Licht: Andrew Exeter • Sounddesign: Dennis Heise • Mit: Alexander Auler (Tony Manero), Shania Ochsner (Stephanie Mangano), Joey Heindle (Monty/Ensemble), Christian Bock (Bobby C), Marije Louise Maliepaard (Annette), Niklas Brunner (Double J/Ensemble), Maximilian Vogel (Joey/Ensemble), Tim Edwards (Frank Jr/Fosco/Ensemble), Tim Olcay (Frank Manero Sr/Ensemble), Joey Heindle (Monty/Ensemble), Daniela Moser (Flo Manero/Clubsängerin/Ensemble), Emily Bellingham (Maria/Ensemble), Anna Reeves (Linda/Ensemble), Clara Marie Hendel (Shirley/Ensemble), Sandra Bitterli (Doreen/Ensemble), Jordan Calloway (Cesar/Ensemble), Simon Lausberg (Jay/Ensemble), Louis Parkins (Chester/Ensemble) u.a.
Aufmacherfoto: Nico Moser für ShowSlot