„Trash Island – Ein Musical zum Wegschmeißen“ am Schmidtchen in Hamburg
Mit den Worten „Marmor, Stein und Eisen bricht – Plastik hält“ sind wir direkt mittendrin im Geschehen des neuen Musicals „Trash Island – Ein Musical zum Wegschmeißen“ von Tom van Hasselt, uraufgeführt im Hamburger Schmidtchen Theater.
Das Stück über Meerverschmutzung, Plastikmüll und Greenwashing beschert einen sehr unterhaltsamen Abend, verpackt in eine kreativ-groteske Handlung: Um vor der Welt zu fliehen, bringt Freddy seine Tochter Johanna als Kind auf eine Insel, die nur aus Plastikmüll besteht, frei nach dem Slogan „hier gibt es alles“. Seit eines Tages Friday angeschwemmt wird, bewohnen sie nun zu dritt ihr Plastik-Paradies, bis Eindringlinge kommen: darunter der Start-Upper Felix, der die Weltmeere von Plastik befreien möchte. Natürlich entwickelt sich zwischen Johanna und Felix eine Lovestory. Später landen noch gruselige Kapitalisten an, die nach seltenen Erden suchen und schließlich taucht auch Johannas verschollen geglaubte Mutter auf.
Verkörpert werden die insgesamt neun Rollen von einem spielfreudigen dreiköpfigen Ensemble – mit verblüffender Wandelbarkeit. Man muss manchmal zweimal hingucken, um sicherzugehen, dass es wirklich nur drei Darstellende sind. Markus Schöttl überzeugt schauspielerisch nicht nur als leicht durchgeknallter Guru-Vater, sondern gibt, urkomisch, schon mal den Abklatsch von Florian Silbereisen auf dem Öko-Kreuzfahrtschiff Bio-Ida. Stimmlich ist er dabei immer punktgenau und äußerst flexibel in den Charakteren. Kathrin Finja Meier als Johanna und ihre Mutter sowie Patrik Cieslik als Friday und Felix können schauspielerisch und vokal überzeugen, lassen in den Duetten mit schönen Harmonien auch mal Romantik aufkommen.
Perfekt geführt wird das Trio von Regisseur Marco Krämer-Eis, der für einen temporeichen Abend sorgt. Buch, Songtexte und Musik stammen aus der Feder von Tom van Hasselt, der mit wortwitzigen Texten für eine rasante Handlung mit hoher Gagdichte sorgt, ohne zu sehr in Klamauk abzudriften, angereichert mit diversen Fakten zum Thema, wodurch einem stellenweise das Lachen fast im Halse steckenbleibt. Die Songs sind eingängig und erinnern häufig an eine Mischung aus Disney-Musicals wie Aladdin, Dschungelbuch, Frozen und Moana, addiert durch 90er-Disco-Trash, wenn es inhaltlich passt. Ohrwürmer sind vorprogrammiert, der Titelsong „Trash Island“ hält sich auch Tage später noch hartnäckig. Die Musik kommt vom Band, was für die Größe des Hauses auch völlig in Ordnung ist – stimmig abgemischt (musikalische Leitung: Tom van Hasselt & Markus Jan Weber; Arrangements & Musikproduktion Martin Rosengarten). Auch wenn nicht immer ganz klar wird, was die Choreografien (Bart De Clercq) mit der Handlung zu tun haben, lockern sie das Geschehen auf und garnieren das Musical optisch.
Das Bühnenbild von Mareike Göldner und Meike Gerstenberg besteht vor allem aus grau-blauen Müllsäcken und herumliegendem Plastikmüll, drapiert um eine leicht versenkte weiße Bühne, die als Projektionsfläche dient. Aus vielen versteckten Fächern können hier schnell mal Requisiten (Anja Majeski) geholt werden. Generell ist die Bühne ein Ausstattungs-Paradies, in dem aus Flaschenkästen, Ruder und Schwimmflügel zwischendurch ein Müllmonster gebaut wird oder Diddl, Spiderman, Arielle sowie Ernie und Bert auftauchen mit Sätzen wie „Du bist Müll wie wir alle“.
In den detailliert-verspielten Kostümen von Verena Polkowski entdeckt man den ganzen Abend über Neues: da gibt es Hosen aus Haribo- und Fertiggerichttüten, einen Guru-Kittel aus Ärzte-, Nirvana und DJ-Bobo-T-Shirts und einen Rock aus Fischernetz mit Plastikmüll – schön nach Farben sortiert. Ob jetzt Plastik die Rettung oder die Ursache allen Übels oder gar beides ist, bleibt offen. „Trash Island“ geht weit über seichte Kiez-Unterhaltung hinaus und bietet Tiefgang, ohne den Zeigefinger zu erheben. Man kann sich in diesem Stück wunderbar vor Lachen wegschmeißen, mit dem Musical sollte man das aber auf keinen Fall tun.
Buch, Songtexte, Musik: Tom van Hasselt · Musikalische Leitung: Tom van Hasselt, Markus Jan Weber · Choreografie: Bart de Clercq · Bühnenbild: Mareike Göldner, Meike Gerstenberg · Kostüme: Verena Polkowski · Ensemble in verschiedenen Rollen: Markus Schöttel, Kathrin Finja Meier, Patrik Cieslak
Aufmacherfoto: Morris Mac Matzen