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Hedwig and the Angry Inch

Schritt nach vorn

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Theater Hof
von
John Cameron Mitchell (Buch)
Stephen Trask (Musik und Gesangstexte)
Regie
Timo Radünz
Uraufführung
1998

Das Kultstück „Hedwig and the Angry Inch“ setzt ein starkes Plädoyer für Toleranz

Beim Einlass herrscht schon rege Geschäftigkeit auf der Vorbühne. Die Musiker*innen gehen zu ihren Instrumenten und spielen sich ein. Hedwig betrachtet die Location ihres Konzerts, Ehemann Yitzhak hilft, checkt die Mikrofone, telefoniert. All das versetzt das Publikum schon vor Beginn des eigentlichen Stückes in die Situation und lässt es aktiven Teil davon werden. Das zieht sich auch im weiteren Verlauf durch den Abend: Rock-Sängerin Hedwig gibt ein Konzert im Hofer Theater und plaudert zwischen den Songs immer wieder aus ihrem bewegten Leben – das Publikum wird durch (teils auch provakante) Kommentare mit einbezogen.

So erfahren die Zuschauer*innen, dass Hedwig als Hansel in der DDR geboren wurde und ein amerikanischer GI sich in sie verliebte und anbot, sie zu heiraten, um ihm damit in die USA folgen zu können. Die geschlechtsangleichende Operation wurde durch einen betrunkenen Arzt verpfuscht – zurück blieb ein „Angry Inch“, der Hedwig auch weiterhin an ihr vormaliges Geschlecht erinnert. Die Ehe scheiterte nach kurzer Zeit und die musik-affine Hedwig lernte Tommy kennen. Für ihn schrieb sie Songs und verhalf ihm zum großen Ruhm. Aber auch diese Beziehung zerbrach, Tommy reklamierte die Lieder als seine eigenen und ließ Hedwig sitzen. Sie verlor jedoch nicht die Hoffnung, dennoch ihre bessere Hälfte zu finden. So tingelte sie weiter als Sängerin durch die Lande und lernte ihren jetzigen Ehemann Yitzhak kennen, der als Dragqueen in ihrem Vorprogramm auftrat. Mittlerweile kümmert Yitzhak sich um den Ablauf ihrer Konzerte und erduldet selbstlos sämtliche Schikanen, die Hedwig ihm entgegenbringt …

Das Stück – durch seine Struktur natürlich kein traditionelles Book Musical – zeigt immer wieder neue Aspekte von Hedwigs Persönlichkeit. Ihr Gemütszustand schwankt zwischen Ausgelassenheit und tiefster Trauer, zwischen Verachtung für ihre Mitmenschen und ehrlicher Anteilnahme am Schicksal anderer. All dies vermittelt Hauptdarstellerin AMY überzeugend. Man merkt, dass sie die Partie bereits mehrfach gespielt und die Titelrolle verinnerlicht hat. Auch auf stimmlicher Ebene kann sie überzeugen, sowohl in den rockigen Passagen als auch während der ruhigen Momente.

Cornelia Löhr zeigt als Yitzhak eine unterwürfige Person, die vieles von Hedwig erdulden muss, das erträgt und dennoch dafür sorgt, dass Hedwigs Leben funktioniert. Löhr kann sowohl in den Duett-Passagen mit AMY als auch während der wenigen solistischen Momente die Wandlungsfähigkeit ihrer Stimme unter Beweis stellen. Die Musiker*innen von Hedwigs vierköpfiger Band (am Premierenabend Amy Brinkman-Davis, Oliver Schmidt, Ralf Wunschelmeier und Harry Tröger) liefern unter der musikalischen Leitung von Michael Falk den jeweils passenden Sound, der trotz entsprechendem Hinweis vor Beginn der Vorstellung nie zu laut gerät.

Bewusst hat das Theater Hof als Gäste für diese Produktion ein queeres Team engagiert. Neben trans* Frau AMY zeichnet Timo Radünz (nicht-binär) sowohl für Regie als auch Ausstattung und Videoprojektionen verantwortlich. Die Inszenierung verortet das Geschehen konkret im Theater Hof, wo Hedwig ihr Konzert gibt, und der gegenüberliegenden Freiheitshalle, in der zur gleichen Zeit Tommy auftritt. Die Ausstattung ist ästhetisch in den 90er Jahren angesiedelt, wodurch die Benutzung von Smartphones allerdings etwas komisch wirkt. Mit viel Tempo führt Radünz seine Darsteller*innen durch den Abend, es wird nicht langweilig und das Publikum trotz aller humorvollen Momente zum Nachdenken angeregt.

Am Ende werden verschiedene Zitate von trans* Personen eingeblendet, die ihre Situation in der Gesellschaft beschreiben und zeigen, dass immer noch ein weiter Weg zu gehen ist. Diese Produktion trägt auf jeden Fall mit einem starken Plädoyer für Toleranz dazu bei.


Musikalische Leitung: Michael Falk • Regie, Ausstattung und Video: Timo Radünz • Licht: Jürgen Burger • Mit: AMY (Hedwig), Cornelia Löhr (Yitzhak), Timo Radünz (Stimme Tommy) • Band: Amy Brinkman-Davis (Klavierdirektion), Oliver Schmidt (Gitarre), Ralf Wunschelmeier (Bass), Harry Tröger (Drums)

Aufmacherfoto: H. Dietz Fotografie

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